November­pogrome
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1938 in Niedersachsen

Gronau

Bereits Ende des 14. Jahrhunderts lebten Juden in Gronau, sie wurden jedoch Mitte des 15. Jahrhunderts aus der Kleinstadt vertrieben. Erst Anfang des 18. Jahrhunderts sind Juden in Gronau wieder aktenkundig – in Form von wiederholten Bestrebungen des Magistrats, den weiteren Zuzug von Juden zu verhindern.

Um 1820 errichtete die jüdische Gemeinde, nunmehr über 50 Personen und mindestens acht Familien stark, eine Synagoge mit angeschlossenem Schulraum und Lehrerwohnung. Die Elementarschule bestand bis 1908. Ab 1819 unterhielt die Gemeinde am Hohen Escher einen Friedhof.

Ab den 1860er Jahren begann die Zahl der jüdischen Familien in Gronau zu sinken. 1933 lebten nur noch 12 Juden und Jüdinnen in dem Ort. In der Pogromnacht wurde die Synagoge, die sich in einem Fachwerkhaus befand, mit Rücksicht auf die unmittelbar benachbarten Häuser nicht abgebrannt. Allerdings zerstörte der Mob die Inneneinrichtung und verbrannte Kultgegenstände vor einer schaulustigen Menge auf dem Adolf-Hitler-Platz. Der einzige in Gronau anwesende Jude wurde von der Polizei in „Schutzhaft“ genommen, wie die Lokalzeitung meldete.

Nach 1938 verließen fast alle der noch in Gronau lebenden Juden die Stadt, die letzten beiden wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert.

Die ehemalige Synagoge ist heute ein Wohnhaus. Der jüdische Friedhof am Hohen Escher steht mit etwa 50 erhaltenen Grabsteinen seit Mitte der 1990er Jahre unter Denkmalschutz.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Gronau (Leine)

Andrea Baumert, Gronau, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Göttingen 2005, Band 1, S. 664-670.

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Gleidingen

In Gleidingen, heute ein Ortsteil von Laatzen, lebten seit Anfang des 18. Jahrhunderts jüdische Familien. Um 1835 errichtete die kleine jüdische Gemeinde in der Thorstraße eine Synagoge mit angeschlossenem Schulraum. Die Elementarschule wurde von Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1903 betrieben. Ein kleiner jüdischer Friedhof bestand seit Mitte des 18. Jahrhunderts am Dammacker.

Mitte des 19. Jahrhunderts umfasste die jüdische Gemeinde fast 100 Personen und damit etwa 10 Prozent der Gleidinger Bevölkerung. Danach sank die Zahl durch Abwanderung kontinuierlich. Mitte der 1930er Jahre lebten noch etwa 30 Jüdinnen und Juden in Gleidingen.

Nachdem es bereits vorher zu einer Grabschändung gekommen war, zerstörte die heimische SA im November 1938 die Synagoge. Auch die Fenster von Häusern und Geschäften jüdischer Eigentümer wurden demoliert. 1940 erfolgte der endgültige Abriss der Synagoge.

Einigen Gleidinger Juden gelang nach der Pogromnacht die Emigration ins Ausland. Fast alle anderen wurden deportiert, die letzten zwei in „Mischehe“ lebenden Gleidinger Juden im Januar 1945 nach Theresienstadt. Vermutlich acht Juden und Jüdinnen sind Opfer der Shoah geworden.

Am Standort der ehemaligen Synagoge erinnert ein Findling mit Schrifttafel an das Bethaus und die jüdische Gemeinde. 2009 wurde der Stein geschändet, die Täter wurden nicht ermittelt.

An der Hildesheimer Straße erinnern seit 2008 Stolpersteine an die Familien Schönfeld und Cohnheim. Auf dem jüdischen Friedhof an der Verlängerung des Dammackerweges werden seit 1997 durch die Jüdische Gemeinde Hannover wieder Bestattungen vorgenommen.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Gleidingen (Niedersachsen)

Laatzen: Jüdischer Gedenkstein geschändet. haGalil, 12. November 2009

Rüdiger Kröger, Gleidingen (heute Laatzen-Gleidingen), in: Herbert Obenaus (Hg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Bd. 1, Göttingen 2005, S. 612–617.

 

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Eldagsen

Ab der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wohnten jüdische Familien in Eldagsen (Region Hannover). Im 19. Jahrhundert wuchs ihre Zahl. 1868 errichtete die Gemeinde eine Synagoge samt angeschlossenem Schulraum und Lehrerwohnung in der Langen Straße. Zur Gemeinde gehörten auch jüdische Familien aus dem benachbarten Gestorf.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte die jüdische Gemeinde rund 60 Mitglieder, danach sank die Zahl nur leicht. Zu Beginn der NS-Herrschaft lebten in Eldagsen noch über 50 Gemeindemitglieder.

Während des Novemberpogroms verwüstete ein SS-Trupp aus dem nahen Springe den Innenraum der Synagoge. Auch die Schaufensterscheiben von drei Geschäften jüdischer Eigentümer schlugen die SS-Leute ein. Das Niederbrennen der Synagoge wurde angeblich durch den Bürgermeister verhindert. Der jüdische Friedhof wurde 1938 geschlossen, das Synagogengebäude 1940 verkauft. 36 Eldagser Juden konnten bis 1939 emigrieren. Andere wurden deportiert und ermordet.

Nach 1945 nutzte zunächst die Katholische Kirche die Synagoge. Später wurde das Gebäude zu einem Wohnhaus umgebaut. Ein 1995 zunächst an anderer Stelle gesetzter Gedenkstein zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde steht seit 2013/14 vor dem Gebäude der ehemaligen Synagoge.

Der jüdische Friedhof zwischen Brücken- und Knickstraße wurde während des Zweiten Weltkrieges aufgelassen und in Gartenland umgewandelt. Nach dem Krieg ließ die Gemeinde Eldagsen auf Betreiben einer in Argentinien lebenden ehemaligen jüdischen Eldagserin einen Streifen des ehemaligen Friedhofes mit vier Grabsteinen wieder als Friedhof gestalten. Ein weiterer Friedhof, der auf das Jahr 1783 zurückgeht, befindet sich im benachbarten Gestorf. Dort sind 22 Grabsteine erhalten.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Eldagsen (Niedersachsen)

Tamar Avraham, Eldagsen, in: Herbert Obenaus (Hg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Bd. 1, Göttingen 2005, S. 524-533.

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Northeim

Nachdem bereits im Mittelalter und in der frühen Neuzeit Juden vorübergehend in Northeim gewohnt hatten, gestattete der Magistrat der Stadt erst 1808 die dauerhafte Ansiedlung jüdischer Familien. Insbesondere durch Zuzug aus dem nahegelegenen Sudheim stieg die Zahl jüdischer Einwohner in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts merklich an. 1910 zählte man in der Stadt 117 Personen jüdischen Glaubens. Eine Synagoge gab es nicht; Gottesdienste fanden in privaten Räumlichkeiten statt, zuletzt in der Bahnhofstraße 5. Einen jüdischen Friedhof gab es seit 1884 neben dem städtischen Friedhof am Harztor.

Im Unterschied zu vielen anderen Gemeinden und Kleinstädten stieg die Zahl jüdischer Bürger während der Weimarer Republik noch etwas an. Um 1930 erreichte sie mit rund 130 Personen den höchsten Stand. Die meisten verdienten ihren Lebensunterhalt als Kaufleute.

Ab 1933 litten auch die Northeimer Juden unter Ausgrenzung und Verfolgung. Die örtliche SA und die NSDAP beteiligten sich am 1. April 1933 am reichsweiten Boykott von Geschäften jüdischer Eigentümer. 1935 kam es erneut zu Übergriffen; u.a. wurden Schaufenster eingeworfen. In der Folge wanderten viele jüdische Familien ab, ihre Geschäfte wurden „arisiert“.

Während der Novemberpogrome wurden insbesondere in der Bahnhofstraße viele Wohnungen jüdischer Familien verwüstet. Die Einrichtung des Betraums in der Bahnhofstraße 5 wurde zerstört. Den jüdischen Sozialdemokraten Levy wies die Gestapo in das KZ Dachau ein. Im April 1939 wurde er wieder entlassen und emigrierte anschließend mit seiner Familie ins Ausland. Die örtliche Zeitung „Heimat-Beobachter“ schrieb dazu am 27. April 1939:

„Ein Abschied, der uns alle freut

Wie wir hören, hat der größte Schweinehund, der in Northeim in den letzten 20 oder 30 Jahren herumgelaufen ist, der Jude Levi, der berüchtigte sozialdemokratische Hetzer und Zaunlattenhäuptling der Hermannschlacht von 1922 beim Brunnen, mit seiner Familie, … Northeim verlassen, um in Palästina zu ‚siedeln’. Vielleicht trifft der Verbrecher außerhalb Deutschlands noch einmal das verdiente Geschick, dem er vor der Revolution 1933 durch die Dummheit seiner Mitmenschen und nach der Machtergreifung durch die Großmut des nationalsozialistischen Staates entgangen ist. In Northeim weint ihm keiner eine Träne nach.“

In dem Artikel spielte die Zeitung auf eine öffentliche Debatte aus dem Jahr 1922 an: Zusammen mit einem DDP-Politiker hatte Levy damals gegen die Aufführung des nationalistischen Dramas „Hermannsschlacht“ von Kleist bzw. gegen die rechtskonservativen Veranstalter protestiert.

Von acht 1941 noch in Northeim lebenden Juden begangen zwei in diesem Jahr Selbstmord, nachdem sie von der Gestapo verhaftet worden waren. Drei weitere wurden im Juli 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert, ein weiterer (er hatte in „Mischehe“ gelebt) Anfang 1945. Mindestens 33 jüdischer Einwohner von Northeim kamen in der Shoah um. Zwei Juden (Felix Haas und Leopold Ballin) kehrten nach dem Krieg nach Northeim zurück.

In der Bahnhofsstraße wurde 1969 gegenüber dem Gebäude, in dem sich der letzte Betraum befunden hatte, ein Mahnmal errichtet. Ein weiteres Denkmal erinnert seit 1993 am Entenmarkt an die Northeimer Opfer der Shoah. Seit 2007 wurden zudem bislang 36 Stolpersteine verlegt. Auf dem 1940 eingeebneten und 1944 an die Stadt zwangsverkauften jüdische Friedhof am Harztor markieren kleine Betonsockel die etwa 50 Grabstellen.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Northeim (Niedersachsen)

Topografie der Erinnerung in Südniedersachsen: http://www.erinnernsuedniedersachsen.de/orte-n-z-northeim-2.html

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Wilhelmshaven und Rüstringen

Parallel mit dem Aufbau eines preußischen Marinestützpunkts am Jadebusen entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwei unmittelbar benachbarte Städte: Wilhelmshaven auf preußischem und Rüstringen auf oldenburgischem Gebiet. Deren Einwohnerzahl stieg schnell an und betrug 1911 bereits 66.000. Am 1. April 1937 erfolgte der Zusammenschluss beider Städte unter dem Namen Wilhelmshaven.

Jüdische Einwohner sind erstmals 1875 in Wilhelmshaven nachweisbar. Die vier Familien waren zunächst der Synagogengemeinde Neustadtgödens im preußischen Ostfriesland angegliedert, gründeten jedoch bald eine eigene „Israelitische Vereinigung Wilhelmshaven“. Auch in Rüstringen waren seit Ende des 19. Jahrhunderts Juden ansässig; hier wurde 1905 offiziell eine jüdische Gemeinde gegründet.

1911 wurden die jüdischen Gemeinden von Rüstringen und Wilhelmshaven vereinigt. Ihre Mitgliederzahl betrug etwa 130 Personen. Die Gottesdienste fanden in Privaträumen und Sälen von Gaststätten statt, bis im Jahr 1915 in der Börsenstraße eine große repräsentative Synagoge mit 400 Plätzen für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde sowie die auf den Schiffen der kaiserlichen Flotte in Wilhelmshaven stationierten jüdischen Marinesoldaten errichtet wurde.

1925 erreichte die jüdische Bevölkerung in Wilhelmshaven und Rüstringen mit 239 Personen ihre Höchstzahl; 1933 zählte sie noch 191 Personen. Die etwa 100 jüdischen Familien lebten überwiegend vom Einzelhandel und wurden von den Boykottmaßnahmen gegen jüdische Geschäfte schwer getroffen. In der Folge zogen viele Familien in größere Städte oder wanderten aus.

Weitere judenfeindliche Aktionen folgten im Sommer 1935. Unbekannte nagelten den Kopf, den Schwanz und das Geschlechtsteil eines Schweines an die Türen der Synagoge. Jüdische Geschäfte wurden mit antisemitischen Parolen beschmiert, vor dem Kaufhaus Wallheimer postierten sich Personen, die Schilder mit der Aufschrift „Deutsche, kauft nicht bei Juden“ trugen. Auf dem Markt richtete die Stadt ein separates Areal für jüdische Händler ein. Da die Kinder an den öffentlichen Schulen zunehmend Beschimpfungen und Drangsalierungen ausgesetzt waren, richtete der Landesrabbiner 1937 eine zentrale jüdische Volksschule für das Land Oldenburg ein.

Ende Oktober 1938 war das Ehepaar Hirschberg mit seiner Tochter Lucie von der Ausweisung der polnischen Juden betroffen.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Synagoge mit Benzin in Brand gesetzt. Die Feuerwehr sicherte die angrenzenden Gebäude. Da das Feuer nicht die gewünschte Wirkung hatte, wurde das Gebäude am Vormittag des 10. November erneut angezündet und wurde völlig zerstört. Vier jüdische Geschäfte wurden in der Pogromnacht geplündert. Ein „Aufholtrupp“ der SA holte jüdische Bürger aus ihren Wohnungen und trieb sie, von Beschimpfungen und Steinwürfen zahlreicher Zuschauer begleitet, in die „Jahnhalle“. Einigen wurden Pappschilder mit der Aufschrift „Ich bin eine Judensau“ umgehängt. Während Frauen, Kinder und ältere Männer am folgenden Tag wieder nach Hause gehen durften, wurden 34 Männer am 11. November geschlossen zum Bahnhof geführt und zum KZ Sachsenhausen abtransportiert. Hauptverantwortliche für die Pogrommaßnahmen waren der SA-Standartenführer Hinz, der NSDAP Kreisleiter Meyer, der Gestapobeamte Kirschner und der Führer des örtlichen NSKK, Gunkel.

1939 lebten noch 79 vor allem ältere Juden in Wilhelmshaven. Die meisten wurden 1940 im Zuge der „Evakuierung“ der jüdischen Bevölkerung aus Oldenburg/Ostfriesland abtransportiert. Zwei mit „Ariern“ verheiratete Jüdinnen wurden schließlich im Februar 1945 nach Theresienstadt deportiert.

Wegen der Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem Pogrom standen nach dem Krieg einige der Täter vor Gericht; der NSDAP-Kreisleiter Ernst Meyer wurde zu zwei Jahren, der NSKK-Sturmführer Gunkel zu 16 ½ Monaten Haft verurteilt. Die Verfahren gegen die übrigen Verantwortlichen wurden eingestellt.

Der Standort der im Frühjahr 1939 abgetragenen Synagoge in Wilhelmshaven (heute „Synagogenplatz“) wurde in den 1970er Jahren als Gedenkort hergerichtet. 1980 wurde auf Initiative der evangelischen Kirchengemeinde ein Mahnmal eingeweiht. 2008 wurde die Gedenkstätte um zwei Stelen mit den Namen von 116 ermordeten Juden aus Wilhelmshaven ergänzt. Eine Informationstafel liefert Details zur Geschichte der Juden in Wilhelmshaven und der Synagoge. An der „Jahnhalle“ ist eine Gedenktafel für die in das KZ Sachsenhausen deportierten Männer angebracht.

Weiterführende Literatur und Links

Alicke, Klaus-Dieter: Lexikon der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum, Bd. 3, Gütersloh 2008.

Büsing, Hartmut, „… so viel unnennbare Leiden erduldet“. Zur Geschichte der Wilhelmshavener und Rüstringer Juden, Wilhelmshaven 1986.

Obenaus, Herbert u.a. (Hrsg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Band II, Göttingen 2005, S. 1551-1561.

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Wilhelmshaven (Niedersachsen)

Alemannia Judaica: Wilhelmshaven mit Bant und Rüstringen (Niedersachsen). Jüdische Geschichte / Synagoge  

GröschlerHaus – Zentrum für Jüdische Geschichte und Zeitgeschichte der Region Friesland / Wilhelmshaven:

Autor: Dr. Rolf Keller, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Dannenberg

Kontinuierlich lebten jüdische Familien ab Anfang des 18. Jahrhunderts in Dannenberg. Um 1871 zählte die jüdische Gemeinde in der Stadt knapp 70 Mitglieder. Mittelpunkt war seit den 1840er Jahren eine neu errichtete Synagoge am Schlossgraben. Ein benachbartes Fachwerkhaus diente als Schule und Lehrerwohnung. Der Synagogengemeinde Danneberg gehörten auch Juden aus den benachbarten Kommunen Lüchow, Wustrow, Hitzacker, Schnackenburg und Gartow an.

Einen jüdischen Friedhof im nahegelegenen Dorf Prisser gab es bereits ab 1742. Die letzte Bestattung fand dort 1899 statt. Der Friedhof blieb mit 45 Grabsteinen bis heute erhalten.

Bereits in den 1870er Jahren setzte eine starke Abwanderung der jüdischen Familien aus Dannenberg ein. 1911 wurde die Synagoge verkauft und anschließend abgerissen. Ab den 1920er Jahren lebten nur noch zwei jüdische Familien in der Stadt. Sie schlossen sich der Synagogengemeinde Lüneburg an.

Es liegen keine Informationen über die lokalen Ereignisse während der Novemberpogrome 1938 vor. Bei Kriegsbeginn lebten in Dannenberg keine Juden mehr.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Dannenberg (Niedersachsen)

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Twistringen

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts lebten in der Gemeinde Twistringen (seit 1964 Stadt Twistringen) einige jüdische Familien, die vom Vieh- und Textilhandel lebten. In den 1840er Jahren richteten sie in einem Haus in der Bachstraße einen Betraum ein. Zusätzlich verfügte das Gebäude über einen Schulraum, in dem bis 1860 und erneut um die Jahrhundertwende Schüler unterrichtet wurden. Nördlich des Ortes lag an der Straße nach Binghausen ein jüdischer Friedhof. Dem 1843 gebildeten Synagogenbezirk Twistringen gehörten auch Juden aus den benachbarten Ortschaften Ehrenburg, Heiligenloh, Schmalförden, Wesenstedt und Köbbinghausen an.

Bereits in den 1880er Jahren begann die Zahl der jüdischen Einwohner wegen der Abwanderung in größere Städte wieder zu sinken. 1933 lebten in Twistringen noch 27 jüdische Einwohner (1895 waren es noch 38 gewesen).

Bereits vor 1933 wurden Schaufensterscheiben von Geschäften jüdischer Eigentümer mit NS-Parolen beschmiert, ein Ladenbesitzer wurde auch tätlich angegriffen. Während des Aprilboykotts postierten sich SA-Angehörige vor drei Geschäften. In der Folgezeit verließen die ersten jüdischen Familien den Ort.

Der Novemberpogrom fand in Twistringen am 10. November 1938 statt – und zwar tagsüber. Vor den Augen zahlreicher Zuschauer – die Kinder im Ort hatten extra schulfrei bekommen – brannten SA-Angehörige an diesem Tag das Gebetshaus nieder. Zudem plünderten sie die Wohnungen der jüdischen Einwohner und nahmen alle Männer in „Schutzhaft“. Von den Anfang 1938 noch acht in Twistringen lebenden Juden sollen alle Anfang der 1940er Jahre deportiert und ermordet worden sein.

1947 bzw. 1951 verurteilte ein Gericht zwei Tatbeteiligte an den Pogromen von 1938 zu kurzen Haftstrafen. Seit 1985 erinnert ein Gedenkstein in der Bachstraße nahe des Grundstückes, an der bis 1938 das Gebetshaus gestanden hatte, an die Verfolgung und Ermordung der Twistringer Juden. Der Friedhof an der heutigen Straße Zur Poggenmühle blieb mit zahlreichen Grabsteinen erhalten.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Twistringen (Niedersachsen)

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Rodenberg

Im benachbarten Dorf Grove lebten bereits seit Mitte des 16. Jahrhunderts jüdische Familien, in der Stadt Rodenberg selbst erst ab 1760. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten etwa 90 Juden in der Stadt – rund ein Viertel aller in der Grafschaft Schaumburg lebenden Juden. Allerdings ging diese Zahl bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wieder auf rund 20 zurück.

Um 1815 erwarb die jüdische Gemeinde ein Gebäude in der Hinterstraße, das als Schulhaus genutzt wurde. 1819 weihte sie auf dem Grundstück eine neu errichtete Synagoge ein, die Ende der 1850er Jahre nach einem Brand durch einen Neubau ersetzt wurde. Eine jüdische Elementarschule existierte von 1835 bis 1908.

Ab 1830 verfügte die Gemeinde am Osthang des Rodenberges an der heutigen Straße Am Judenfriedhof über einen eigenen Friedhof, der auch den jüdischen Einwohnern der umliegenden Ortschaften, u.a. auch aus Bad Nenndorf, als Begräbnisstätte diente.

1933 lebten nur noch drei jüdische Familien in Rodenberg (Familien Bonwitt, Lehmann und Windmüller). Fast alle Mitglieder dieser Familien wurden 1941/42 in Ghettos im Osten deportiert und haben vermutlich nicht überlebt. Im von der Gedenkstätte Yad Vashem erstellten Register der Opfer der Shoah werden 16 Juden aufgeführt, die in Rodenberg geboren wurden und der Shoah zum Opfer fielen. Neben den erwähnten Familien Bonwitt und Windmüller gehörten sie den Familien Silberberg, Levy, Horn, Treideberg und Bogen an.

Über die Ereignisse während der Novemberpogrome in Rodenberg sind keine Informationen verfügbar. Die Synagoge in der Hinterstraße wurde nicht niedergebrannt. Dennoch überstand sie den Nationalsozialismus nicht: Ein privater Käufer ließ sie abtragen.

Der jüdische Friedhof wurde 1939 von den Nationalsozialisten geschlossen, blieb aber mit rund 100 Grabsteinen erhalten. 2012 wurden in Rodenberg erste Stolpersteine verlegt. Ein Gedenkzeichen am Ort der ehemaligen Synagoge gibt es nicht.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Rodenberg (Schaumburg)

Oliver Glissmann, Die jüdischen Friedhöfe Schaumburgs, in: https://spurensuche.schaumburgerlandschaft.de/spur_volltext.php?kategorie=9

Synagogen im Kreis Schaumburg: https://stadthagen-synagoge.de/media/pdf/Synagogen%20im%20Landkreis%20Schaumburg.pdf

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Stolzenau

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts siedelten sich die ersten jüdischen Familien in Stolzenau an. Sie verdienten ihren Lebensunterhalt mit dem Viehhandel und dem Verkauf landwirtschaftlicher Produkte.

1834 errichtete die Jüdische Gemeinde, zu der auch die Juden aus Nendorf und Leese gehörten, in der Thalstraße (heute „Hinterm Dahle“) eine Synagoge mit angeschlossener Schule und Lehrerwohnung. Bis dahin hatten die Gottesdienste in Betstuben von Privathäusern stattgefunden, unter anderem im Haus der Familie Hildesheimer, heute „Am Markt 7“.

Vor dem Ersten Weltkrieg kam täglich ein Minjan zusammen, und an den Feiertagen soll die Synagoge bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen sein. Der jüdische Friedhof befand sich an der Schinnaer Landstraße. Religiös waren die Stolzenauer Juden orthodox ausgerichtet.

Schon vor dem Ersten Weltkrieg begann mit der Abwanderung in die Großstädte der Niedergang der jüdischen Gemeinde. 1933 lebten nur noch etwa 25 Juden in Stolzenau, 1940 waren es noch 13.

1935 zwang eine Verordnung des Gemeinderates die noch in Stolzenau lebenden Juden zur Aufgabe ihrer Geschäfte.

In der Pogromnacht wurden sie Opfer von Übergriffen durch NSDAP-Mitglieder, die in ihre Wohnungen eindrangen. Die über 100 Jahre alte Synagoge war noch in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten, als sie am 9. November 1938 ausgeplündert und in Brand gesetzt wurde. Die Kultgegenstände wurden öffentlich auf dem Markplatz verbrannt. Einige Tage später sprengte man die Umfassungsmauern und beseitigte die Reste des Gebäudes. Das „Stolzenauer Wochenblatt“ schrieb darüber am 12. November 1938: „Mit dem Abbruch der Synagoge ist ein Schandfleck aus unserer Gemeinde verschwunden und es gibt keinen Volksgenossen, der nicht froh darüber wäre, dass dieser hässliche und artfremde Bau dem Erdboden gleich gemacht worden ist.“

Ein Eck- oder Grundstein des Synagogengebäudes muss aber wohl bei einem der Beteiligten solch großes Interesse geweckt haben, dass der massive Stein mit hebräischer Inschrift („Zur Ehre unseres Schöpfers und zum Wohl unserer Kinder errichtet im Jahr 5595“) über 40 Jahre lang aufbewahrt wurde. Erst als der frühere Stolzenauer Eric Lipman 1979 Stolzenau besuchte, wurde ihm der Stein vom damaligen Bürgermeister quasi „zurückgegeben“. Eric Lipman ließ ihn nach Richmond/Virginia transportieren, wo er inzwischen lebte, und widmete ihn seiner Gemeinde „Congregation Beth Ahabah“. Im dortigen Museum kann der Grundstein der Stolzenauer Synagoge seitdem besichtigt werden.

Eck- oder Grundstein der 1938 abgerissenen Synagoge in Stolzenau. Beth Ahabah Museum & Archives, Foto: Ute Müller

Von den 15 bei Kriegsbeginn 1939 noch in Stolzenau lebenden Juden wurden zwölf 1942 über Nienburg in das besetzte Polen deportiert und ermordet.

Erst 2013 wurde an dem Grundstück „Hinterm Dahle“, auf dem die Synagoge gestanden hatte, eine Gedenktafel angebracht. Im selben Jahr wurden erste Stolpersteine verlegt. Der jüdische Friedhof an der Schinnaer Landstraße ist samt einer kleinen Trauerhalle und mehr als 120 Grabsteinen erhalten geblieben.

Weiterführende Literatur und Links

Ulrich Knufinke: Verschleppte Steine – Spolien zerstörter Synagogen aus Niedersachsen. In: Keßler, Katrin; Brämer, Andreas; Knufinke, Ulrich; Rürup, Miriam: Wandernde Objekte des Jüdischen (= Jüdisches Kulturerbe Bd. 3, hrsg. vom Netzwerk jüdisches Kulturerbe), Braunschweig 2022, S. 93 – 107.

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Stolzenau (Niedersachsen)

Autoren: Ute Müller, Jens-Christian Wagner

1938 in Niedersachsen

Helmstedt

Nach der Vertreibung der Juden Ende des 15. Jahrhunderts durften sich erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder Juden in Helmstedt ansiedeln. Eine erste Synagoge wurde bereits 1850 wieder aufgegeben. Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zur Neugründung einer jüdischen Gemeinde; sie hatte bis 1933 Bestand.

Zwischen 1933 und 1939 sank die Zahl der in Helmstedt gemeldeten Juden von 24 auf sechs. Hintergrund war der starke wirtschaftliche Druck auf jüdische Geschäftseigentümer, ihre Betriebe zu „arisieren“.

In der Pogromnacht wurden die Schaufenster der wenigen noch verbliebenen jüdischen Geschäfte eingeschlagen, das Inventar wurde geplündert. Mit Josef Mindus wurde mindestens ein jüdischer Mann körperlich misshandelt; er wurde mit zwei weiteren Männern in das KZ Buchenwald deportiert. Nach dem Pogrom mussten alle noch in Helmstedt lebenden Juden ihre Geschäfte aufgeben. 1942 lebten noch drei Juden in Helmstedt; vermutlich wurden sie später ermordet.

Seit 1998 erinnert eine Gedenktafel im Helmstedter Rathaus an die örtlichen Opfer der Shoah. Seit 2011 wurden an verschiedenen Standorten 15 Stolpersteine verlegt.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Helmstedt (Niedersachsen)

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten