November­pogrome
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1938 in Niedersachsen

Winsen (Luhe)

In Winsen (Luhe) müssen Anfang des 18. Jahrhunderts bereits seit längerer Zeit Juden gelebt haben, denn der Friedhof ist bereits in den 1740er Jahren nachweisbar. Die kleine Synagogengemeinde Winsen (Luhe) umfasste außerdem die Ortschaften Amelinghausen, Bardowick, Hanstedt, Ramelsloh und Salzhausen. Die Gottesdienste wurden in einem angemieteten Raum in der Luhestraße abgehalten. Nachdem sich bereits um 1900 die Auflösung der Gemeinde abzeichnete, lebten in den 1920er Jahren nur noch drei jüdische Familien in der Stadt.

Während des Novemberpogroms wurden bei dem einzigen Geschäft mit jüdischem Inhaber, dem Bekleidungsgeschäft Alfred Stern die Schaufenster eingeschlagen. Sechs jüdische Bürger aus Winsen wurden 1941 über Hamburg nach Riga deportiert, zwei weitere im Mai 1943 nach Theresienstadt. Sara Horwitz, die einzige bekannte Überlebende des Holocaust aus Winsen, kehrte nach dem Ende des Krieges in ihre Heimatstadt zurück und starb dort im Jahr 1956.

Weitere Informationen

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Winsen/Luhe (Niedersachsen)

Autor: Dr. Jens Binner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Vechta

In Vechta lebte seit dem 18. Jahrhundert eine relativ kleine Zahl von Juden. 1825/26 wurde eine Synagoge in der heutigen Juttastraße errichtet. Ein jüdischer Friedhof befand sich außerhalb der Stadt am heutigen Visbeker Damm. Zur Synagogengemeinde Vechta gehörten auch einige wenige Familien in den benachbarten Gemeinden Goldenstedt und Lohne. 1933 umfasste die kleine Synagogengemeinde 17, kurz vor Kriegsbeginn 14 Personen.

In der Pogromnacht zerstörten SA-Mitglieder aus Vechta die Inneneinrichtung der Synagoge. Mit Rücksicht auf die unmittelbar angrenzenden Wohngebäude verzichteten sie auf eine Brandlegung. Am 10. November wurden jedoch Teile der Inneneinrichtung sowie die Türen und Fenster auf den Neumarkt gebracht und verbrannt. Die wenigen Geschäfte jüdischer Eigentümer wurden demoliert und geplündert. Zwei jüdische Männer wurden verhaftet und in das KZ Sachsenhausen gebracht.

1939 verließen die letzten Juden Vechta – teils nach Oldenburg und Bremen, teils wanderten sie nach Palästina aus. 20 Angehörige der früheren jüdischen Gemeinde überlebten die Shoah nicht.

Seit 1982 erinnert ein Gedenkstein in der Juttastraße an die ehemalige Synagoge. Die Inschrift lautet:

In dieser Straße stand die Synagoge, das Gotteshaus unserer jüdischen Mitbürger,
frevelhaft geschändet am 9.November 1938.
Zur Erinnerung und Mahnung.
Der bis 1936 genutzte jüdische Friedhof am Visbeker Damm blieb erhalten.

Weiterführende Literatur und Links

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Vechta (Niedersachsen)

Autor: Dr. Jens-Christian Wagner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Diepholz

Vorgeschichte

Günter Roberg berichtete nach dem Zweiten Weltkrieg, Adolf Meyer, 54 Jahre alt und Viehhändler auf dem Esch gegenüber dem Marktplatz, sei das erste jüdische Opfer der Nationalsozialisten unter den Diepholzer Juden gewesen, man habe ihm einfach das Geschäft unmöglich gemacht. Er nahm sich am 25. Mai 1934 das Leben und hinterließ seine Frau und drei erwachsene Kinder.

In der ev.-luth. Nicolai-Kirche hing eine Tafel mit den Namen der gefallenen des Ersten Weltkrieges. Die Namen von Iwan Fontheim und Julius Goldschmidt auf dieser Tafel wurden übermalt. Ähnlich wurde mit dem Buntglasfenster im Ratssaal verfahren, das Siegfried Simon Fontheim, der seit 1921 Ehrenbürger der Stadt war, gestiftet hat. Dort wurde der Name des Stifters in der unteren linken Ecke übermalt, nachdem die NSDAP gedroht hatte, das Fenster ansonsten zu zerstören.

Bereits vor dem November 1938 fliehen jüdische Familien aus Diepholz vor dem zunehmenden Druck der Diskriminierung ins Ausland. So wandert Max Müller 1935 mit seiner Frau Lucie, der Tochter des Schlachters Gustav Kleinschmidt, ohne Abmeldung nach Santiago de Chile aus. Die andere Tochter von Gustav Kleinschmidt, Irma Vogel, gelangt 1936 mit ihrem Mann Werner per Bahn über die Schweizer Grenze.

Die Ereignisse im November 1938

Vom Nachmittag des 9. November sind die ersten Ereignisse überliefert, als SA-Mitglieder zu Kindern auf der Straße sagen, dass sie die Scheiben der Synagoge einwerfen dürften. Am frühen Morgen des 10. November, einem Donnerstag, gehen einige SA-Männer durch die Betriebe und fordern die Leute auf bei der Zerstörung mitzuhelfen. Bürgermeister Gustav Brüning protestiert, der NSDAP-Ortsgruppenleiter übernimmt für den Tag die Verantwortung.

Fünf SA-Männer nehmen vor der Synagoge einem Zimmermann, der an einem Nachbarhaus arbeitet, sein Beil ab, brechen die Tür auf und schlagen die Scheiben über dem Eingang ein. Außerdem zerstören sie die Steinplatte über dem Eingang, auf der in hebräischer Schrift stand: „Dies ist ein Bethaus für alle Völker“. Im Anschluss zerstören die SA-Männer das Inventar der Synagoge vollständig. Alles was sie in den Schränken finden, auch die Thorarollen, tragen sie in das Parteilokal in der Straße der SA (heute: Lange Straße).

Informationstafel am Gebäude in der Mühlenstraße 5, dem Standort der ehemaligen Synagoge. Foto: Falk Liebezeit

Folgen

Die Synagoge wurde nach den Ereignissen des November 1938 als Schulungsraum für den SA-Motorsturm 23/N 62 benutzt. Die Drei-Zimmer-Wohnung in der Synagoge wurde weiter vermietet.

Die Diepholzer Kreiszeitung verschweigt den Diepholzer Pogrom, sie titelt am Sonnabend, dem 12. November: „Die Antwort wird legal, aber hart sein, der Fall Grünspan“. Am Montag, dem 14. November heißt es: „Juden haben 1 Milliarde RM. zu zahlen, die Strafe für den Mord. […] Kein Jude mehr auf deutschen Hochschulen, die Regierung steht auf der Wacht, die deutsche Judenfrage wird bald gelöst.“

Infolge der Ereignisse des November 1938 versuchen viele jüdische Familien in die Emigration zu fliehen. Fanny Goldschmidt kann 1941 zu ihrem Neffen nach Rio de Janeiro gehen. Der Schlachter Gustav Kleinschmidt und seine Frau Edith gehen 1939 nach Chile, wo seit 1935 bereits ihre Tochter Lucie lebt.

Am 28. März 1942 soll der Transport von Diepholz in das Sammellager Ahlem gehen. Der Synagogenvorsteher Semmi Philippsohn, wohnhaft in der Hindenburgstraße 46, nimmt sich vorher im Stall hinter seinem Haus das Leben.

Am letzten Wochenende im Juli 1942 meldet das Diepholzer Kreisblatt: „Diepholz juden-frei – nachdem im Laufe der Woche die letzten Juden die Stadt verlassen haben, ist Diepholz nach langen Jahren wieder judenfrei.“

Biografie – Günter Roberg

Günter Roberg wurde 1921 in Lemförde geboren. Zur Zeit des Novemberpogroms ist er Lehrling in Hannover bei einer Bäckerei auf dem Engelbosteler Damm. Günter Roberg berichtet über den Pogrom in Diepholz aus der Erinnerung seiner Mutter Sophie: „Früh um 7 Uhr marschierte eine Gruppe von SA-Leuten vor unser Haus und umzingelte dieses. Meine Mutter und mein Großvater waren damals allein im Haus, wurden von dem Aufmarsch wach, als sie hörten wie alle Fensterscheiben klirrten, die Haustür aufgebrochen wurde und in ganz kurzer Zeit war die Einrichtung unseres Hauses nur noch ein Trümmerhaufen. Es war nicht mal ein Glas ganz oder ein Gerät um daraus etwas Wasser zu trinken. Meine Mutter und mein Großvater wurden verhaftet. Der Polizist führte alle Diepholzer Juden in das Schloßgefängnis.

Nur Karl Samenfeld wurde wegen seines Alters auf einem Handwagen gefahren. Nach einigen Stunden wurden alle wieder freigelassen. Die Behandlung im Gefängnis ist unmöglich zu schildern. Allen Juden wurde befohlen, schnellstens auf eigene Kosten die zerstörten Wohnungen wieder herzurichten. Wenige Tage nach der Aktion verstarb der greise Karl Samenfeld [am 11. Januar 1939 im Alter von 86 Jahren]. Während der Ereignisse kam plötzlich unser Gendarm [Polizeioberwachtmeister Heinrich Schneidewind] herein, nahm seine Pistole genommen und hat sie meiner Mutter vorgesetzt. Da hat sie gesagt: ‚Schieß doch schon.‘ Er erwiderte: ‚Ich würde ja schießen, aber da müsste ich ja hinterher den Spachtel nehmen und den Dreck wegmachen.‘“

Der SA-Mann Evers aus der Kolkstraße (bis 1935: Judenstraße) lief weinend zu seinem Vater in dessen Tischlerwerkstatt, er konnte es nicht ertragen, seine Kameraden auf dem Klavier der Familie Roberg herumspringen zu sehen. An den Wänden in der Wohnung hingen die Diplome und Auszeichnungen, die der verstorbene Familienvater und Schlachtermeister Alfred Roberg im Laufe seines Lebens bekommen hatte, auch aus seiner Zeit in den Vereinigten Staaten.

Günter Roberg konnte noch 1940 nach Palästina fliehen. Er lebte zuletzt in Kiryat Bialik bei Haifa und starb dort im Jahr 2014.

Informationstafel am Gebäude in der Langen Straße 22 zur Erinnerung an die Familie Roberg. Foto: Falk Liebezeit

Günter Roberg im Jahr 2010. Stadt Diepholz

Justizielle Ahndung

Über Strafprozesse gegen die Täter der Pogromnacht in Diepholz ist nichts bekannt. Allerdings gab es im August 1946 einen Beschluss des Rates der Stadt Diepholz, nach dem die fünf Männer, die in die Synagoge eingebrochen waren, die Schäden am Gebäude beheben lassen mussten. Ihre Namen standen auch 1950/51 in Zeitungsberichten – in der 50 km entfernten Nachbarkreisstadt Syke mit vollen Namen, in Diepholz nur mit den Initialen, die jedoch damals jeder Einheimische mühelos auflösen konnte.

Spuren und Gedenken

Als im UNRRA-Lager auf dem ehemaligen Fliegerhorst (1938-1944) im Jahr 1953 keine Juden mehr lebten für die ein Bethaus benötigt wurde, verkaufte das Jewish Trust Committee in Hannover das Gebäude an die benachbarte Auto-Werkstatt Wilh. Paradiek. Es wurde später wegen Einsturzgefahr abgebrochen. Am Nachfolgegebäude, mittlerweile ein Optikergeschäft, ist eine Erinnerungstafel angebracht, die zunächst von Stadtarchiv und Bauamt initiiert wurde und mittlerweile vom Heimatverein Diepholz gepflegt wird.

Im Jahr 1962 fährt der Schuhmachermeister Fritz Schröder aus der Langen Straße in Diepholz zu seinem früheren Nachbarn Günter Roberg nach Israel. Bei dem Schuhmacher arbeitete auch Klaus Eickenhorst aus Lemförde, der den CVJM Lemförde leitete. 1963 bringt der CVJM mit Erlaubnis des Bürgermeisters Ey den jüdischen Friedhof in Ordnung, als sie erfahren dass Günter Roberg die Gräber seiner Großeltern besuchen möchte, die dort bestattet sind. Später übernimmt die Stadt Diepholz die Rasen- und Baumpflege auf dem jüdischen Friedhof.

Im Jahr 1978 befragen drei Schüler des Diepholzer Gymnasium ältere Einwohner zu ihren Erinnerungen an jüdische Mitbürger. Das Diepholzer Kreisblatt berichtet darüber im Dezember 1978.

Der Bürgermeister Oskar Bödeker erwähnt 1986 in einer öffentlichen Sondersitzung des Stadtrats zum 9./10. November 1938 unter anderem, dass die Fontheim- und die Roberg-Strasse nach ehemaligen jüdischen Mitbürger benannt worden seien. Außerdem hatte es Gespräche mit dem Ehepaar Roberg gegeben und Ewald Samenfeld lud den Bürgermeister zu sich nach Riveira bei Buenos Aires ein.

Im Juli 1994 werden vor dem Schulhof der Mühlenkamp-Grundschule, die in den 1950er Jahren erbaut worden war, bei Straßenbauarbeiten unter dem Asphalt Bruchstücke von Grabsteinen mit hebräischen Buchstaben gefunden. Die Firma Wragge bricht daraufhin die Arbeiten ab und informiert das städtische Bauamt. Die Bruchstücke gelangen ins Stadtarchiv und werden im Ratssaal der Öffentlichkeit gezeigt. Es wird der Gedanke entwickelt, daraus ein Mahnmal auf dem jüdischen Friedhof zu konzipieren. Es wird ein Wettbewerb unter den Diepholzer Schulen veranstaltet, der 23 Vorschläge hervorbringt. Der Entwurf der beiden Abiturienten des Jahrgangs 1995/96 Mirco Oetting und Thomas Staggl wird unter Mitwirkung des Zentralverbands der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen in Hannover, Günter Roberg in Israel und dem „Arbeitskreis jüdische Geschichte im Landkreis Diepholz“ schließlich umgesetzt und 1997 eingeweiht.

Diepholz Friedhof

Eingang zum jüdischen Friedhof. Foto: Falk Liebezeit

Weiterführende Literatur und Links

Kurth, Hilmar, Günter Roberg erinnert sich, Diepholz 1998.

Liebezeit, Falk / Major, Herbert,  Auf den Spuren jüdischer Geschichte in Diepholz, Diepholz 1999.

Liebezeit, Falk / Schröder, Reinald / Sobetzki-Petzold, Peter, Stationen jüdischen Lebens in Diepholz. Ein Stadtrundgang, Diepholz 2010.

Jüdische Regionalgeschichte im Landkreis Diepholz

 

Autor: Falk Liebezeit, Diepholz

1938 in Niedersachsen

Hannover

Vorgeschichte

Die ältesten Quellen mit Nachrichten über Juden in Hannover stammen aus dem 13. Jahrhundert – ein Pfandregister von 1292 nennt erstmals einen jüdischen Einwohner. Die Aufnahme jüdischer Einwohner in der Stadt ist vielfach belegt, wobei hauptsächlich jüdische Kaufleute und Geldverleiher geduldet wurden, deren Ansiedlung den Bürgern gute Geschäfte versprach und die Wirtschaftskraft förderte.

Nach der Pestkatastrophe von 1348, bei der die Juden als „Brunnenvergifter„ beschuldigt und vertrieben wurden, folgten zwei Jahrhunderte einer schwankenden Politik gegenüber den Juden. Zeitweise waren sie der guten Geschäfte wegen erwünscht, doch genauso entzog der Rat ihnen wiederholt den Schutz und ließ sie verjagen. Die Reformation im Jahr 1532 verstärkte die judenfeindliche Stimmung. 1588 wurden sämtliche Geldgeschäfte zwischen Juden und Christen verboten und alle jüdischen Einwohner mussten die Stadt verlassen.

Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein gab es keine Juden mehr in Hannovers Altstadt. In der Hannoverschen Neustadt wurde jedoch bereits im 17. Jahrhundert wieder eine Ansiedlung jüdischer Familien zugelassen, sodass sich hier eine kleine jüdische Gemeinde unter dem Schutz der fürstlichen Regierung bilden konnte.

1703 durfte ein eigenes Synagogengebäude errichtet werden. Der Synagogenbau belegt zwar die Tolerierung der jüdischen Bewohner, zeigt aber durch den versteckten Bauplatz in einem Hinterhof das Randdasein der Juden in der Gesellschaft.

Nach Aufhebung des Niederlassungsverbots 1842 durften auch die Juden ihren Wohnsitz frei wählen und mit dem Anwachsen Hannovers zur Großstadt nahm auch die Zahl jüdischer Einwohner zu. Die jüdische Gemeinde gehörte bald zu den zehn größten Gemeinden in Deutschland, sodass die alte Synagoge zu klein wurde.

Die von dem jüdischen Architekten Edwin Oppler entworfene neue Synagoge wurde von 1864 bis 1870 demonstrativ auf einem neugeschaffenen, zentralen Platz an der Bergstraße in der Calenberger Neustadt errichtet (heute Rote Reihe).

Die prachtvolle Synagoge in der Calenberger Neustadt war Kennzeichen der gesellschaftlichen Einbindung der jüdischen Gemeinde in Hannover. Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann sich Antisemitismus zu regen, der während des Ersten Weltkrieges und zu Beginn der Weimarer Republik weiter zunahm. In Hannover war der organisierte Antisemitismus durch die Deutschnationale Volkspartei, den Deutschnationalen Handlungsgehilfenverband, eine Vielzahl völkischer Gruppierungen sowie die NSDAP, deren Ortsgruppe in Hannover am 2. Juli 1921 gegründet wurde, vertreten.

Die großen Hannoverschen Tageszeitungen „Anzeiger“ und „Kurier“ druckten kommentarlos antisemitische Beiträge ab. Bereits vor der Machtübernahme der NSDAP gab es Anschläge auf die neue Synagoge. Im Juli 1927 wurden Mauern mit Hakenkreuzen und dem Schriftzug „Schlagt die Juden tot“ beschmiert. 1930 wurde Brandstiftung an der Synagoge verübt und 1931 wurden während eines Gottesdienstes Schüsse auf die Synagoge abgegeben, was eine Panik unter den Betenden auslöste.

Äußerst radikal gebärdeten sich die Studentenvertreter der Technischen Hochschule Hannover. Sie forderten bereits 1919 einen Ausschluss der Juden von deutschen Hochschulen. Ein Jahr später wurden jüdische Studenten aus der örtlichen Studentenvertretung ausgeschlossen. Auch die Rufmordkampagne gegen den Professor der Philosophie Theodor Lessing, nach seiner sozialkritischen Berichterstattung über den Serienmörder Haarmann, zeigt den Antisemitismus an der Hochschule. Lessing musste schließlich seine Lehrveranstaltungen einstellen. Auf einer Hochschultoilette war daraufhin zu lesen: „Ich begrüße die Beseitigung des Judenschweins“.

Lessing befand sich auch unter den ersten jüdischen Gelehrten, die im April 1933 vom Preußischen Erziehungsministerium aus ihrem Amt entlassen wurden. Er flüchtete in die Tschechoslowakei, dort wurde er jedoch aufgespürt und von sudetendeutschen Nationalsozialisten umgebracht.

Die antisemitischen Ausschreitungen beschränkten sich nicht nur auf den „Judenboykott“ am 1. April 1933: Am 10. Mai rief die hannoversche Studentenschaft zur Bücherverbrennung an der Bismarcksäule in der Masch auf. Darin hieß es unter anderem: „Wir wollen deutschen Geist von Deutschen für Deutsche, deshalb Kampf dem Einfluss des Judentums und dem sich Breitmachen jüdischen Geistes in der deutschen Kultur“. Am 27. Mai wurden bei einem plötzlichen Überfall im Geschäftszentrum Hannovers die Schaufensterauslagen von etwa 50 jüdischen Läden zertrümmert sowie Gas- und Stinkbomben hineingeworfen. Wenige Tage später, nachdem die Polizei die Wiedereröffnung der Läden genehmigt hatte, wiederholten sich die Ausschreitungen.

In scheinbar neutraler Aufmachung publizierten Zeitungen mehrfach Listen der „Juden in Hannover“. Eine Erklärung verkündet, dass die Meldungen ausländischer Zeitungen Lügen seien und niemand beweisen könne, dass an den aufgelisteten Juden in Hannover jemals Greuel verübt worden seien. In Wirklichkeit sollte diese Zusammenstellungen mit Namen und Adressen jüdischer Geschäfte ebenfalls zu Ausschreitungen anregen.

Im Rahmen der „Polenaktion“ Ende Oktober 1938 wurden 484 Juden aus Hannover in den Versammlungssaal des früheren Arbeiterbildungsvereins am Hohen Ufer 3 gebracht. Anschließend wurden sie mit der Bahn über die polnische Grenze gebracht. Unter den Festgesetzten befanden sich auch die Eltern und zwei Geschwister des späteren Pariser Attentäters Herschel Grynszpan. Die Familie hatte seit 1915 eine kleine Wohnung in der Burgstraße 36 bewohnt (heute steht dort das Historische Museum). Der erst 17 Jahre alte Herschel hielt sich Ende Oktober 1938 in Paris auf. Nachdem er durch Briefe seiner Schwester vom Schicksal der Familie erfahren hatte, besorgte er sich eine Pistole, ging in die deutsche Botschaft in Paris und gab mehrere Schüsse auf den Botschaftssekretär Ernst vom Rath ab. Dieser erlag am Nachmittag des 9. November 1938 seinen Schussverletzungen.

Das Attentat diente überall im Deutschen Reich als fadenscheinige Legitimation, um die geplante Zerstörung jüdischer Synagogen, Einrichtungen und Geschäfte in der Pogromnacht als Ausbruch des „Volkszorns“ zu verkaufen.

Postkarte

Ansichtskarte Neue Synagoge in Hannover, 10. Mai 1908. Reproduktion von 1972, W. Bernard.

Die Ereignisse im November 1938

In manchen Regionen war neben der SA auch die SS massiv an den Pogromen beteiligt. Dies trifft auf das Land Braunschweig und die südliche Provinz Hannover zu. Eine entscheidende Rolle spielte dabei SS-Obergruppenführer Friedrich Jeckeln, der seit 1933 Chef des Braunschweiger Landespolizeiamts und seit 1938 Höherer SS- und Polizeiführer (HSSPF) im Wehrkreis XI war. Die HSSPF unterstanden Himmler direkt und sollten im Mobilmachungsfall alle Polizei- und SS-Verbände in ihrem Wehrkreis unter einem Befehl vereinen. Obwohl diese neue Kompetenz nur für den Mobilmachungsfall gedacht war, nutzte Jeckeln sie offenbar, um die Ausschreitungen in seinem Bereich, von Hannover bis Dessau, zu organisieren.

Gegenüber den heutigen Universitätsgebäuden (Conti-Hochhaus) stand an der Westseite des Königsworther Platzes (1933-1945: Horst-Wessel-Platz 2) eine repräsentative Villa. Bis 1933 in jüdischem Besitz, wurde sie danach Kommandozentrale des SS-Abschnitts IV in Hannover. Aus diesem Haus lenkte Jeckeln am Abend des 9. November 1938 die Aktionen in Hannover und Umgebung: Zerstörung von Synagogen und Geschäften, Überfälle auf Wohnungen, Verhaftungen jüdischer Männer und ihre Einweisung in Konzentrationslager.

Die Durchführung durch SS-Trupps lief unter der Leitung des SS-Oberführers Kurt Benson.

Am Abend des 9. November um 18.00 Uhr veranstaltete die NSDAP in der Stadthalle eine Gedenkfeier zur Erinnerung an den Hitler-Ludendorff-Putsch vom 9. November 1923. Diese Veranstaltung endete zwischen 20.00 und 21.00 Uhr. Gegen 20.00 Uhr begannen im Konzerthaus am Leineufer die Feierlichkeiten zur Vereidigung von Anwärtern der hannoverschen SS. Kurt Benson erschien gegen 00.00 Uhr im Konzerthaus, nachdem er zuvor die SS in der Stadthalle repräsentiert hatte. Nach Mitternacht begann die rituelle Vereidigung der neuen SS-Mitglieder, die aus der HJ und der Polizei stammten, durch Benson. Die Veranstaltung im Konzerthaus endete um 1.30 Uhr und die SS-Verbände zogen in Richtung der neuen Synagoge in der Bergstraße. Diese wurde währenddessen bereits ausgeraubt und anschließend in Brand gesteckt, wobei 34 Thorarollen zerstört wurden. Die SS sperrte die Synagoge ab und um 02.35 Uhr wurde Feueralarm durch die Staatspolizei durchgegeben. Die spät alarmierte Feuerwehr beschränkte sich auf den Schutz der umliegenden Häuser.

Ein Teil der SS-Männer wurde von der Synagoge abgezogen, um ab 3.00 Uhr Übergriffe auf Geschäfte und Wohnungen von Juden durchzuführen. „Am frühen Morgen wurde die Kuppel des Synagogenbaus von der Technischen Nothilfe gesprengt, wenig später war das Feuer gelöscht. Der Brand und die anschließende Sprengung wurden trotz der Absperrungen, bei denen nach Ablösung der SS auch Arbeitsdienst und Schutzpolizei eingesetzt wurden, von einer großen Menschenmenge beobachtet.“, heißt es im Historischen Handbuch der jüdischen Gemeinden. Der Lagebericht der Polizei von 8.15 Uhr sprach von einer Menschenansammlung von ca. 300 Personen.

Peter Schulze schildert im Historischen Handbuch der jüdischen Gemeinden die weiteren Vorgänge: „Tagsüber wurde auch die 1928 erbaute Halle auf dem jüdischen Friedhof Bothfeld in Brand gesetzt und schwer beschädigt. Die Betstube wurde demoliert und die Mikwe (rituelles Bad) im Gemeindehaus durch eine antijüdische Schmähschrift entweiht. Im Verlauf des 10. Novembers schwärmten weitere Kommandos der SS, aber auch andere NS-Organisationen sowie die NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) im gesamten Stadtgebiet aus und verhafteten zahlreiche jüdische Männer, stürmten, demolierten und plünderten insgesamt 27 jüdische Wohnungen und 94 Geschäfte, wie in Polizeiberichten dokumentiert wurde. Auf Befehl des SS-Oberführers Benson wurden ab 18.00 Uhr erneut jüdische Geschäfte demoliert und Wertgegenstände beschlagnahmt.

Zu den namentlich bekannten Tätern gehörten der Juwelier Sander, der Kaufmann Göbelhoff sowie andere hannoversche Geschäftsleute, die der SS angehörten. SS-Obergruppenführer Jeckeln beschlagnahmte persönlich das Bargeld der Firma Sternheim & Emanuel. Im Dienstgebäude der SS und bei der NSV wurde das Raubgut zusammengetragen: Geldkassetten, Radios, Leuchter, Schmuck, Uhren und andere Wertgegenstände. Außerdem wurden Autos und Motorräder beschlagnahmt sowie auf besondere Anweisung Jeckelns am 11. November alle Bankguthaben und Wertdepots von Juden gesperrt.

Zur Beendigung des von SS- Oberführer Benson kommandierten mehrtägigen Raubzugs wurde schließlich die Gestapo eingesetzt; nach internen Untersuchungen wurden mehrere SS- Leute wegen persönlicher Bereicherung abgestraft.“

In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurden 333 jüdische Männer und mit Else Graetz auch eine Frau im Polizeigefängnis und in der Turnhalle der ehemaligen Kriegsschule inhaftiert. Else Graetz, in einer „Mischehe“ mit Hermann Graetz verheiratet, wurde wegen angeblicher Fluchtbegünstigung ihres Mannes festgenommen. Nachdem sich ihr Mann, der sich bei Freunden verborgen gehalten hatte, gestellt hatte, wurde er in Haft genommen und seine Frau dafür freigelassen.

Der Kaufmann Julius Buchholz war mit 77 Jahren der älteste Häftling, der jüngste, Cygiel Isaak, war kurz zuvor erst 16 Jahre alt geworden.

275 Verhaftete aus Hannover und der Region wurden in das KZ Buchenwald deportiert, misshandelt und drangsaliert. Sie kamen nach unterschiedlich langer Haftzeit frei – nach der Versicherung, mit ihren Familien Deutschland zu verlassen.

Brennende Synagoge in der Bergstraße, fotografiert zwischen 1.30 und 2.30 Uhr am 10. November 1938 vom Pressefotografen Wilhelm Hausschild. HAZ-Hauschild-Archiv, Historisches Museum Hannover

Folgen

Die Brandstiftungen und Terroraktionen liefen in aller Öffentlichkeit ab und erregten großes Aufsehen, aber die hannoverschen Tageszeitungen berichteten nur knapp, wobei sie auf die offizielle Sprachregelung angeblicher „spontaner judenfeindlicher Kundgebungen“ zurückgriffen. Tatsächlich aber hatte sich die Bevölkerung überwiegend passiv verhalten und stand den Ausschreitungen eher kritisch gegenüber – dies jedoch weniger aus Mitgefühl für die Juden, sondern aus Unmut über die Zerstörung von Sachwerten.

Nach Zerstörung der Oppler-Synagoge wurden die Gottesdienste wieder in der alten Synagoge abgehalten.

„In den wenigen Wochen bis Jahresende verließen 100 jüdische Einwohner die Stadt. 1939 wurden mehr als 750 Juden gezählt, die ins Ausland gingen. 400 Emigranten nannten europäische Länder als Ziele, vor allem England, Niederlande und Belgien. Durch die Schließung weiterer Geschäfte und Firmen im Winter 1938/1939 wurde das Ende der wirtschaftlichen Betätigung der Juden erzwungen, profitable Betriebe wurden ‚arisiert'“, schreibt Peter Schulze im Historischen Handbuch der jüdischen Gemeinden.

Im August 1941 ordnete Gauleiter Lauterbacher die Sammlung der verbliebenen Jüdinnen und Juden in 16 „Judenhäusern“ an. Ihr zurückgelassenes Eigentum wurde geschätzt und versteigert. Mehr als 1200 jüdische Bürgerinnen und Bürger Hannovers mussten am 3. September 1941 innerhalb weniger Stunden ihre Wohnungen verlassen. Sie wurden zwangsweise in eins der „Judenhäuser“ im Stadtgebiet eingewiesen. Das Wohnhaus Herschelstraße 31 war eines von ihnen. Dort lebten etwa 150 Menschen. Auch die Friedhofshalle „An der Stangriede“ wurde zum Massenquartier für etwa 130 Menschen, jeder hatte nur einen Platz von zwei Quadratmetern. Die „Judenhäuser“ wurden regelmäßig von der Gestapo kontrolliert, wobei es häufig zu schweren Misshandlungen der Bewohner kam.

Auf die Nachricht von der bevorstehenden Deportation nahmen sich 1941/42 elf Menschen das Leben, weitere zwei vor der Überführung zur Sammelstelle in Ahlem. Aus Hannover und Umgebung wurden zwischen 1941 und 1945 mit acht Transporten 2.400 Juden in Ghettos und Vernichtungslager verschleppt.

Biografie - Horst Egon Berkowitz

Horst Egon Berkowitz wurde am 16. Januar 1889 als drittes von vier Kindern als Sohn von Esther und David Berkowitz in Königsberg, Ostpreußen geboren. Die Familie zog 1902 nach Hannover in die Erwinstraße 3, wo Horst Berkowitz zeitlebens wohnen blieb. Von 1904 bis 1915 besuchte er die Leibnizschule Hannover, an der er 1915 sein Abitur als Notreifeprüfung ablegte, um am Ersten Weltkrieg teilnehmen zu können. Beim 74. Infanterieregiment kämpfte er zunächst in Russland, danach in Frankreich, wo er im November 1915 durch die Explosion einer Granate schwer verwundet wurde und unter Anderem sein rechtes Auge verlor. Er galt als schwer kriegsbeschädigt und wurde mit dem goldenen Verwundetenabzeichen ausgezeichnet.

Trotz seiner schweren Verletzungen schloss er das Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen 1922 erfolgreich ab und begann in Hannover als Strafverteidiger zu arbeiten. 1928 wurde er zum Notar bestellt. Er war seit 1925 mit seiner zweiten Frau Rahel Luise verheiratet und wohnte mit ihr in der Erwinstraße. Die Ehe blieb kinderlos.

Vom Boykott gegen jüdische Anwälte 1933 war er nicht betroffen, da diese Verordnung nicht für schwer Kriegsgeschädigte galt. Somit eröffnete er 1934 seine eigene Anwaltskanzlei und konnte bis 1938 darin weiter arbeiten. Die Amtsbefugnis als Notar wurde ihm allerdings 1935 entzogen.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Horst Berkowitz von seiner Schwägerin Else Berkowitz am Telefon über die ersten Zerstörungen jüdischer Geschäfte in der Innenstadt informiert. Gegen 01.00 Uhr morgens klingelte es mehrfach und zwei Gestapo-Beamte holten Horst Berkowitz aus seiner Wohnung. Zuvor gab er seine Wertsachen und Schlüssel seiner Frau, da diese „arisch“ war und er damit rechnen musste, dass sie ihm sonst abgenommen worden wären. Auf der Ladefläche eines Lastwagens wurde er mit anderen jüdischen Männern in das Polizeipräsidium in der Hardenbergstraße gebracht.

Am nächsten Tag wurden die Verhafteten gegen 9.00 Uhr zum Hauptbahnhof gebracht und mit Waggons ins KZ Buchenwald abtransportiert. Schon bei der Ankunft in Buchenwald kam es zu schweren Misshandlungen durch die SS. Die Ankommenden wurden mit Stockschlägen angetrieben. Da Horst Berkowitz wegen seiner Kriegsverletzung nicht richtig laufen konnte, wurde er verhöhnt. Später wurde er niedergeschlagen, sodass er bewusstlos zusammenbrach. Als er erwachte, war er bereits in einer der Baracken untergebracht. Als ein SS-Arzt von seinem goldenen Verwundetenabzeichen erfuhr, welches Horst Berkowitz immer bei sich trug, wurde er von schwereren Arbeiten verschont. Nach etwa einem Monat wurde er im Dezember 1938 aufgrund seiner Kriegsverletzungen aus dem Konzentrationslager Buchenwald entlassen.

Danach durfte er nicht mehr als Anwalt arbeiten, wurde aber als „Judenkonsulent“ eingesetzt, um jüdische Bürger in rechtlichen Angelegenheiten zu beraten und vor Gericht zu vertreten. Sein Beratungsbüro richtete er in den Räumen einer alten Synagoge ein.

Der überwiegende Teil der Gebühren für seine Tätigkeit musste als Judenkonsulentenabgabe an die Reichsrechtsanwaltskammer abgeführt werden.

Obwohl die Stellung eines jüdischen Angeklagten vor deutschen Gerichten ohnehin nahezu aussichtslos war und auch die Möglichkeiten des Rechtsschutzes durch einen Judenkonsulenten sehr eingeschränkt waren, konnte Horst Berkowitz manchmal das Recht durchsetzen.

Im Herbst 1938 wurden sieben Kinder von einer umstürzenden Mauer erschlagen, die sich auf dem gepachteten Lagerplatz eines jüdischen Schrotthändlers befand. Gegen den jüdischen Pächter wurde ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet. Berkowitz gelang es durch ein Gutachten, die Unschuld seines Mandanten zu beweisen, sodass dieser wider Erwarten freigesprochen wurde. Die Niedersächsische Tageszeitung (Kampfblatt der NSDAP) brachte daraufhin einen objektiven Bericht über den Freispruch und erwähnte Berkowitz Namen ohne jede normalerweise übliche Schmähung.

Gegen Ende 1940 wurde Berkowitz verpflichtet, in der Gasmaskenproduktion der hannoverschen Firma Continental zu arbeiten. Zugleich hatte er ein Büro auf dem Gelände der Gartenbauschule, um auf Anweisung der Gestapo deren Geschäfte abzuwickeln und jüdisches Vermögen zu verwalten.

Im April 1945 wurde er von der britischen Besatzung als Anwalt rehabilitiert. Er gehörte zu den ersten Juristen, die sich für den Neubeginn des Justizwesens in Hannover einsetzten. In der Nachkriegszeit führte er einige „Wiedergutmachungsprozesse“ für Juden, stellte jedoch auch Nationalsozialisten „Unbedenklichkeitsbescheinigungen“ aus, insofern er dieser Überzeugung war.

Seine Frau Rahel Luise verstarb 1952. Sie hatte durch die Ereignisse des Novemberpogroms einen Nervenzusammenbruch erlitten, da sie in die SS-Kommandozentrale mitgenommen und streng vernommen worden war. Sie erholte sich nie wieder und musste auch in den Folgejahren immer wieder in die Nervenheilanstalt eingeliefert werden.

Zeitlebens war Horst Berkowitz ein leidenschaftlicher Münz- und Briefmarkensammler. Nach seinem Tod am 13. Februar 1983 überließ Berkowitz seine Briefmarkensammlung dem Staat Israel zur Förderung von Universitäten, Krankenhäusern und Kinderheimen. Der Erlös bei der Versteigerung der Briefmarken betrug über fünf Millionen Deutsche Mark.

Mann im Garten

Dr. Horst Egon Berkowitz im Garten seines Hauses, 1979. HAZ-Hauschild-Archiv, Historisches Museum Hannover

Justizielle Ahndung

Gegen einige wenige hannoversche NS-Täter wurde nach 1945 Anklage erhoben.

Der 1946 vom britischen Militärgericht geführte Prozess gegen Gauleiter Lauterbacher endete mit Freispruch; er blieb zwar in Gewahrsam, konnte jedoch später aus dem Internierungslager fliehen und untertauchen.

Im Juli 1948 wurde der Gestapomann Hans Bremer vom Landgericht Hannover zu 10 Jahren Zuchthaus wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Im Juli 1952 wurde der Gestapomann Wilhelm Nonne zu 7 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Mai 1949 wurde Christian Heinrichsmeier, der Vorgesetzte von Bremer und Nonne, zu 2 ½ Jahren Zuchthaus verurteilt.

Wegen Beteiligung an der Synagogenbrandstiftung wurden die Geschäftsleute August Göbelhoff und Richard Sander im Oktober 1948 zu Haftstrafen verurteilt.

Der für die Zwangsumsiedlung der hannoverschen Juden verantwortliche Stadtrat Bakemeier wurde niemals strafrechtlich belangt.

Friedrich Jeckeln, der nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 einer der Hauptverantwortlichen für Massenerschießungen der jüdischen Bevölkerung in der Schlucht von Babyn Jar bei Kiew und bei dem Judenghetto Riga wurde, wurde nach seiner Gefangennahme von einem sowjetischen Kriegsgericht 1946 zum Tode verurteilt und gehängt.

Spuren und Gedenken

Am 10. November 1963, genau 25 Jahre nach der Zerstörung der von Edwin Oppler entworfenen Synagoge, weihte die jüdische Gemeinde ihre neue Synagoge in der Haeckelstraße ein. Der Platz der Oppler-Synagoge ist nach dem Krieg durch Gebäude der Evangelischen Kirche überbaut worden. Seit 1958 erinnert eine Gedenktafel und seit 1978 eine kleine Gedenkstätte an den Standort der Synagoge in der heutigen Roten Reihe. Auf der Gedenkplatte mit der Silhouette der früheren Synagoge steht die Inschrift:

„Ungestillt rinnt die Träne um die Erschlagenen unseres Volkes, Jer.8.23 / Hier stand die Synagoge – das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde unserer Stadt – frevelhaft zerstört am 9. Nov. 1938. Zur Erinnerung und Mahnung“.

Die Friedhofshalle auf dem Friedhof „An der Stangriede“ ist ein historischer Ort von großer Bedeutung; Sie ist der erste und einzige noch bestehender Sakralbau des jüdischen Architekten Edwin Oppler und fungiert als Gedenkstätte der jüdischen Gemeinde für ihre Gefallenen des 1. Weltkrieges. Außerdem war die Friedhofshalle eines der „Judenhäuser“ vom 4. September 1941.

Friedhofshalle an der Stangriede, 2018. Foto: Nina Pasche

Ein Mahnmal am Opernplatz erinnert seit 1994 an die aus Hannover deportierten jüdischen Bürgerinnen und Bürger. Eingemeißelt sind die Namen von 1.935 jüdischen Bürgerinnen und Bürgern Hannovers, unter Angabe des Lebensalters zum Zeitpunkt der Deportation oder unter Angabe des Geburtsjahres. Ihr weiteres Schicksal wurde aufgeführt, soweit es bekannt ist. Wenn der Todesort nicht genannt werden konnte, wurde „Verschollen“ vermerkt.

In der ehemaligen Israelitischen Gartenbauschule, die 1941 zur zentralen Sammelstelle für Deportationen aus Hannover wurde, befindet sich heute die Gedenkstätte Ahlem. Die Ausstellung legt den Fokus auf die Verfolgung und Ausgrenzung während des Nationalsozialismus in Ahlem und auf das deutsch-jüdische Leben von Moritz Simon, dem Gründer der Gartenbauschule.

Seit Dezember 2007 werden im Stadtgebiet Hannover Stolpersteine verlegt. Derzeit erinnern mehr als 350 Stolpersteine an ihrem jeweiligen letzten Wohnort an die früheren jüdischen Bewohner, die im Nationalsozialismus ermordet wurden oder ausgewandert sind.

Gedenkstätte der Oppler Synagoge in der heutigen Roten Reihe, 2018. Foto: Nina Pasche

Weiterführende Literatur und Links

Beer, Ulrich, Versehrt verfolgt versöhnt. Horst Berkowitz – ein jüdisches Anwaltsleben, Essen 1979.

Landeshauptstadt Hannover/ Jüdische Gemeinde Hannover e.V. (Hrsg), Leben und Schicksal. Zur Einweihung der Synagoge in Hannover, Hannover 1963.

Mechler, Wolf-Dieter, Der Novemberpogrom 1938 in Hannover. Begleitband zur Ausstellung vom 5. November 2008 bis 18. Januar 2009 im Historischen Museum Hannover, Hannover 2008.

Schulze, Peter, Juden in Hannover. Beiträge zur Geschichte und Kultur einer Minderheit, Hannover 1989.

Ders., Beiträge zur Geschichte der Juden in Hannover, in: Hannoversche Studien. Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover, Bd. 6, Hannover 1998.

Ders., Hannover, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, hg. v. Herbert Obenaus, Bd. 1, Göttingen 2005, S. 726-796.

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Hannover (Niedersachsen)

Landeshauptstadt Hannover, Städtischer Erinnerungskultur: Am Gedenkort für die 1938 zerstörte Neue Synagoge, Rote Reihe, Hannover, Horst Berkowitz berichtete …

Landeshauptstadt Hannover, Städtischer Erinnerungskultur: Erinnerung im Straßenbild – Stolpersteine

Stolpersteine Hamburg: Gebrüder Hirschfeld

Stadtrundgang zu Orten der Verfolgung und des Widerstands 1933-1945 in Hannover

 

Autorin: Nina Pasche, Studentin der Leibniz Universität Hannover

1938 in Niedersachsen

Lingen/Ems

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts lebte jeweils nur eine jüdische Familie in Lingen. Erst danach nahm ihre Zahl langsam zu. Den Gottesdienst besuchten sie im benachbarten Freren, weil es aufgrund der geringen Personenzahl keine jüdischen Gemeindeeinrichtungen in Lingen gab. Erst im Jahr 1869 konstituierte sich eine eigene Synagogengemeinde in der Stadt. 1878 konnte dann eine Synagoge eingeweiht werden, die vor den Toren der Stadt in der heutigen Synagogenstraße lag.

Die jüdischen Familien in Lingen waren vor allem im Viehhandel und im Schlachtgewerbe tätig, einige auch im Textilhandel. Waren vor 1933 nur gelegentlich antisemitische Aktivitäten zu beobachten gewesen, wirkte sich der Aprilboykott im Jahr 1933 auch hier aus. Vor den wenigen Ladengeschäften mit jüdischen Inhabern postierten sich SA-Männer, um Kunden am Betreten zu hindern.

Während des Novemberpogroms wurde die Lingener Synagoge am 10. November 1938 von SA-Männern in Brand gesteckt. Das Gebäude wurde dadurch völlig zerstört, das nahe gelegene Schulgebäude der Gemeinde blieb jedoch unversehrt. Das letzte Geschäft mit jüdischem Inhaber, das Fredy Markreich gehörte, wurde ebenfalls verwüstet. Sechs Männer wurden verhaftet und in das KZ Buchenwald überführt.

Nach dem Pogrom versuchten die meisten jüdischen Familien zu emigrieren. Ab Ende 1941 wurden die noch in Lingen lebenden Juden deportiert. Zwölf Opfer des Holocaust aus Lingen sind nachweisbar.

Weitere Informationen

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Lingen/Ems (Niedersachsen)

Autor: Dr. Jens Binner, Stiftung niedersächsische Gedenkstätten

1938 in Niedersachsen

Sarstedt

Vorgeschichte

Nachweislich lebten bereits im 14. Jahrhundert Juden in Sarstedt. Doch die erste große Pestwelle („Schwarzer Tod“) in den Jahren 1347 bis 1352, für die man die Juden verantwortlich machte, beendete das jüdische Leben in der Stadt zunächst wieder. Wie an anderen Orten kam es zu Pogromen, und die Juden wurden aus Sarstedt vertrieben.

Mitte des 18. Jahrhunderts lassen sich wieder Juden in Sarstedt nachweisen. Bis ins 19. Jahrhundert gewährte man den Juden den Aufenthalt in der Gemeinde nur durch den Besitz eines kurfürstlichen Schutzbriefes, der sie außerdem dazu berechtigte, ein Gewerbe zu betreiben. Mit der Emanzipation der Juden durch das Gesetz der Rechtsverhältnisse von 1842 waren die Juden berechtigt, frei über die Wahl des Wohnortes und des Berufes zu entscheiden. Politische Rechte wurden ihnen jedoch nicht gewährt, weshalb sie auch keine staatlichen Ämter besetzen durften.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die jüdische Gemeinde auch als Synagogengemeinde bezeichnet, da es 1815 bereits eine Synagoge gegeben haben soll, die sich jedoch nicht belegen lässt.

Möglicherweise handelt es sich nur um eine kleine Betstube, in der sich die jüdischen Bürger regelmäßig versammelten.

Der älteste Friedhof in der Feldmark „Ostertor“, von dem es keine Spuren mehr gibt, soll im 18. Jahrhundert der Ort für die ersten Bestattungen gewesen sein. Seit 1840/1841 diente der neu eingerichtete Friedhof in der Ostertorstraße als Begräbnisstätte für die jüdischen Bürger Sarstedts. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr die jüdische Gemeinde mit 13 Haushalten und 85 Einwohnern ihren zahlenmäßigen Höhepunkt.

Während der Weimarer Republik war Sarstedt politisch tief gespalten. Trotz einer starken Rechten dominierten die Arbeiterparteien SPD und KPD; Bürgermeister war seit 1926 der Sozialdemokrat Otto Budschig.

Bei den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 wurde die NSDAP in Sarstedt die stärkste Kraft mit 1215 Stimmen. Die SPD (905 Stimmen) und die KPD (793 Stimmen) waren zusammen allerdings immer noch stärker als Hitlers Gefolgsleute. Diese setzten im November 1933 Friedrich Niemann als Bürgermeister ein.

Zu dieser Zeit lebten in Sarstedt noch etwa 25 Juden. Mit der zunehmenden Ausgrenzung der Juden zerbrach das Miteinander zwischen den Bürgern jüdischer und christlicher Konfession in Sarstedt.

Die Vereinigung der Händler wurde „gleichgeschaltet“, und einige Bürger erhielten anonyme Drohbriefe, in denen sie als „Judenfreunde“ bezeichnet wurden. Mitte der 1930er Jahre versammelten sich regelmäßig SA- und SS Männer vor den Geschäften jüdischer Eigentümer. Diese wanderten überwiegend in größere Städte ab oder emigrierten ins Ausland. 1938 lebten noch fünf Juden in Sarstedt, und es existierte nur noch ein Geschäft mit einem jüdischen Eigentümer.

Sarstedt

Sarstedt – „Städtlein im Stifft Hildesheim“, um 1645. Stadtarchiv Sarstedt

Die Ereignisse im November 1938

Am Abend des 9. November 1938 erhielten Ortsgruppenleiter Gustav Ziemba und Bürgermeister Friedrich Niemann von der Kreisleitung Hildesheim den Befehl, die SA und SS in Sarstedt zu alarmieren. Deren Mitglieder zogen in der Nacht durch die Stadt, verwüsteten und zerstörten jüdische Wohnungen sowie das einzig noch bestehende jüdische Textilgeschäft der Neubergs – dessen Gründer Karl Neuberg war zwei Monate zuvor, am 4. September 1938, im Alter von 76 Jahren verstorben.

Selbst vor dem jüdischen Friedhof wurde nicht Halt gemacht; die Täter warfen die Grabsteine um.

Pogrom

Verwüstetes Haus der Familie Liebmann in Sarstedt, 1939. Stadtarchiv Sarstedt

Folgen

Nach den Novemberpogromen intensivierten auch die Sarstedter Juden ihre Bemühungen, ins Ausland zu emigrieren. Doch die einzig belegte Auswanderung ist die von Fritz und Alice Liebmann mit ihrer Tochter am 27. März 1939 nach Brasilien.

1941 verschlechterte sich die Lage der wenigen noch in Sarstedt verbliebenen Juden weiter. Sie wurden von der Gestapo aus ihren Wohnungen geholt und in Baracken in der Giesener Straße zusammengepfercht – darunter der ehemals wohlhabende Kaufmann Robert Neuberg und die in Armut lebende Familie Aschenbrandt.

Anfang 1942 wurden die Sarstedter wie auch die Hildesheimer Juden mit der Straßenbahn nach Ahlem bei Hannover gebracht. Mindestens elf Sarstedter Juden mussten einer Liste der Gedenkstätte Ahlem zufolge in den Zug steigen. Das Gelände der Isarelitischen Gartenbauschule war seit Herbst 1941 Sammelstelle für die Deportation der Juden aus dem Bereich der Gestapo Hannover.

Von dort aus erfolgten Mitte 1942 Deportationen in die Ghettos Theresienstadt und Riga. Unter den Deportierten befanden sich auch die Sarstedter Juden. Der 80jährige William Neuberg hatte kurz vor der Deportation den Freitod gewählt.

Das weitere Schicksal der in die Ghettos verschleppten Sarstedter Juden ist zumeist unbekannt. Familie Aschenbrandt endete nach Recherchen des „Kreis-Anzeigers“ aus den 1980er Jahren im KZ Bergen-Belsen, das sie nicht überlebte. Alle anderen Sarstedter Juden gelten als verschollen oder der Todesort ist unbekannt.

Die Steinstraße, in der viele jüdische Familien gewohnt haben, um 1940. Stadtarchiv Sarstedt

Justizielle Ahndung

Nach dem Ende des „Dritten Reiches“ wurden die Verantwortlichen der Novemberpogrome 1938 verfolgt und unterschiedlich bestraft. Man geht davon aus, dass der Befehl für die Übergriffe direkt von der Kreisleitung der NSDAP in Hildesheim kam, da Sarstedt zum Kreis Hildesheim gehörte. Die Gestapo rückte aus Hildesheim in Sarstedt an, sicherlich unter Beteiligung von Sarsteder SA- und SS-Leuten. Es gibt keine Berichte über Verhaftungen oder Verurteilungen von Sarstedter SA- und SS-Männern.

Spuren und Gedenken

Mit den Deportationen nach Ahlem und von dort aus in die Ghettos Riga und Theresienstadt endete 1942 das Leben der jüdischen Gemeinde in der Stadt.

Das Neubergeche Grundstück in der Steinstraße 12, einst das Textilgeschäft der Neubergs, wurde Ende 1942 von der Stadt Sarstedt aufgekauft. Bis heute hat sich an dem Gebäude äußerlich kaum etwas geändert. Zur Erinnerung an die jüdischen Bürger, die in Sarstedt lebten, hat die Stadt zum 50. Jahrestag der Pogromnacht an dem Haus eine Gedenktafel mit folgendem Wortlaut anbringen lassen:

„In diesem Haus lebte bis 1941 die Sarstedter Familie Neuberg.
Ihr und allen ermordeten jüdischen Mitbürgern zum Gedächtnis, allen Lebenden der Stadt zur Mahnung, wurde diese Gedenktafel am 50. Jahrestag der Reichspogromnacht angebracht.
9.11.1988 – Rat der Stadt Sarstedt“.

Der jüdische Friedhof in der Ostertorstraße blieb seit 1938 verwaist, da es zu diesem Zeitpunkt die letzte Bestattung gegeben hat. 1992 übernahmen aufgrund einer Initiative des Rates der Stadt Sarstedt die Orientierungsstufe, die Realschule und das Gymnasium eine Partnerschaft für die Pflege des jüdischen Friedhofs. Heute erinnert eine kleine Bronzetafel am Friedhof an die Geschichte der jüdischen Gemeinde.

Jüdischer Friedhof in Sarstedt, 2018. Foto: Werner Vahlbruch

Am 23. April 2012 wurden in Sarstedt 14 Stolpersteine gesetzt, die an die früheren jüdischen Bewohner, die im Nationalsozialismus ermordet wurden oder ausgewandert sind, erinnern.

Die Stolpersteine, die in den Fußweg vor den letzten freigewählten Wohnstätten eingelassen wurden, holen vor den Häusern Steinstraße 13, Steinstraße 21 und Lappenberg 1 die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Juden aus der Anonymität heraus und bringen sie dahin zurück, wo sie einst lebten.

Vor dem Haus Steinstraße 13 wurden im April 2012 die ersten Stolpersteine verlegt. Foto: P. Hartmann

Sarstedter Schüler pflegen den jüdischen Friedhof in Sarstedt, um 1990. Foto: Peters

Weiterführende Literatur und Links

Sarstedt unterm Hakenkreuz. Das Buch zur Serie des Sarstedter Anzeigers, hg. v. Verlag Gebrüder Gerstenberg und Sarstedter Anzeigers, 2008

Vahlbruch, Werner, Juden in Sarstedt – ein Rückblick. Das Gedächtnis eines Volkes ist seine Geschichte, Sarstedt 2003.

Vernetztes Erinnern Hildesheim

Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum: Sarstedt (Niedersachsen)

Autor: Marcel Rode, Student der Leibniz Universität Hannover

1938 in Niedersachsen

Osnabrück

Vorgeschichte

„Und wer sich naht mit platten Füßen,
mit Nase krumm und Haaren kraus,
darf nicht unseren Strand genießen,
der muss hinaus, der muss hinaus!“

Die ostfriesischen Inseln waren in der Weimarer Republik aufgrund ihrer Nähe ein beliebtes Urlaubsziel vieler Osnabrücker Jüdinnen und Juden. Während Norderney als sehr liberal und tolerant galt, grassierte auf Borkum der moderne Antisemitismus so offensichtlich wie an kaum einem anderen Ort. Die obige Strophe ist ein Ausschnitt aus dem sogenannten „Borkum-Lied“ des Kurpfarrers Ludwig Münchmeyer, das gegen Ende der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus eines der Standardlieder vieler Osnabrücker Schulkinder gewesen ist. Dazu stand in einer Osnabrücker Mittelschule 1927 exemplarisch „Gottes Strafgericht über das Judenvolk“ auf dem Lehrplan.

Im Spätmittelalter lebten die Osnabrücker Jüdinnen und Juden in der heutigen Marienstraße (damals Schweinestraße). Wie in anderen Städten des Heiligen Römischen Reiches oblag ihnen auch in Osnabrück der Verleih von Geld, da ihnen auf der einen Seite der Eintritt in die Zünfte verboten war, auf der anderen Seite Christen keine Zinsgeschäfte ausüben durften. Der christliche Antijudaismus mit seinen traditionellen Stereotypen der Brunnenvergiftung, des Hostienfrevels oder des „Wucherjuden“ kulminierte im Zuge der Schwarzen Pest um 1350 auch hier in einem Pogrom, in dem etliche Osnabrücker Jüdinnen und Juden ermordet worden sind. Durch einen Beschluss des Stadtrates durften in der Folge keine weiteren jüdischen Familien aufgenommen werden. So verringerte sich die Zahl der in Osnabrück lebenden Juden Schritt für Schritt, bis ein Erlass des Bischofs Johann von Diepholz vom 20. Oktober 1424 Jüdinnen und Juden der Aufenthalt in Osnabrück vollständig untersagte.

Erst gegen Anfang des 19. Jahrhunderts ist wieder jüdisches Leben in Osnabrück dokumentiert. Die neu entstandene jüdische Gemeinde blieb anlässlich der restriktiven Judengesetzgebung im Königreich Hannover, wie beispielsweise des Ausschlusses von allen Staats- und Gemeindeämtern, aber klein. Erst mit der formellen rechtlichen Gleichstellung im Norddeutschen Bund und kurz darauf im Deutschen Kaiserreich etablierte sich die jüdische Gemeinde zunehmend. Die Anzahl ihrer Mitglieder wuchs stark an, sodass die Gemeinde im Jahr 1880 aus nahezu 400 Mitgliedern bestand, was ungefähr 1,2 Prozent der gesamten Stadtbevölkerung entsprach. Während die absolute Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder im Jahr 1905 auf fast 500 Mitglieder stieg, nahm der relative Anteil von Jüdinnen und Juden in Osnabrück jedoch auf ca. 0,8 Prozent ab.

Aufgrund der immer größer werdenden Gemeinde reichten die bis zu diesem Zeitpunkt für den Gottesdienst benutzten Räume am Barfüßerkloster nicht mehr aus, weshalb sich die Gemeinde für den Bau einer neuen Synagoge entschloss. Die neue Synagoge, deren Baukosten 140.000 Reichsmark betrugen, wurde am 13. September 1906 eingeweiht. Sie stand in der Rolandstraße 3, hatte über 400 Sitzplätze und besaß neben einer großen, grünen Glaskuppel auch eine Orgel. Die Synagoge wurde seitdem zum Mittelpunkt des jüdischen Lebens in Osnabrück. Der neue Friedhof der jüdischen Gemeinde befand sich ab 1876 vor dem Johannistor an der Magdalenenstraße.

Die jüdische Gemeinde Osnabrück galt als assimiliert, viele ihrer Mitglieder waren fest in das städtische Leben integriert. Simon Wertheim etwa war Bürgervorsteher im Rathaus, Sara Frank von 1914 bis 1920 ein Vorstand des „Vaterländischen Frauenvereins“ und Fritz Berend ab 1926 erster Kapellmeister des Stadttheaters. Parallel hierzu entwickelte sich auch ein intensives jüdisches Vereinsleben in Osnabrück. In erster Linie sind dabei Wohltätigkeitsvereine wie der „Chewra Kadischah“, der „Israelitische Frauenwohltätigkeitsverein“ und die Ortsgruppe des „Esra-Vereins“ zu nennen. Der erste zionistische Verein in Osnabrück entstand jedoch erst im Jahr 1926. Im Anschluss daran wurden auch Ortsgruppen der zionistischen Organisationen „Hechaluz“ und „Makkabi Hazair“ gegründet.

Trotz der hier beschriebenen Assimilierung und Integration in das Osnabrücker Stadtleben zu Zeiten der Weimarer Republik wäre es aber verkehrt, von einer vollkommenen Gleichstellung zu sprechen. Auch in der Weimarer Republik wurden jüdische Bürger weiterhin diskriminiert, es kam zu antisemitischen Übergriffen sowie Vereinsausschlüssen. Im Jahr 1927 schändeten Unbekannte die Synagoge und den jüdischen Friedhof; das Gasthaus „Germania“, dessen Besitzer Mitglied der NSDAP war, entwickelte sich zum zentralen Treffpunkt von Antisemiten. Zudem erschien am 28. April 1929 die erste Auflage des lokalen antisemitischen Hetzblattes „Stadtwächter“, der in den Hochzeiten eine Auflage von 20.000 Stück hatte (Osnabrück hatte zu diesem Zeitpunkt ca. 90.000 Einwohner). Bei den Reichstagswahlen 1930 lag der NSDAP-Stimmenanteil in Osnabrück mit 27,6 % deutlich über dem Reichsdurchschnitt von 18 %. Bei den folgenden Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 sowie am 6. November 1932 lag der Anteil mit 35,8 beziehungsweise 32,9 Prozent jeweils knapp unter dem Reichsdurchschnitt von 37 respektive 33 Prozent.

1933 zählte die jüdische Gemeinde Osnabrück noch 435 Mitglieder, die Anzahl sollte in der Folge aber deutlich sinken.

Wie in den anderen Städten des Deutschen Reiches verliefen die antisemitischen Aktionen in Osnabrück bis zu den Novemberpogromen nicht linear, sondern sprunghaft. Während der ersten Antisemitismus-Welle im Jahr 1933 wurden jüdische Kanzleien, Arztpraxen und über 40 Geschäfte boykottiert. Viele Juden wurden dabei für zwei Tage in „Schutzhaft“ genommen. Die Boykott-Aktionen begannen in Osnabrück bereits am 30. März, demzufolge bereits zwei Tage vor dem reichsweiten „Judenboykott“. Die SA fotografierte diejenigen, die dem Boykott-Aufruf nicht Folge leisteten. Die Fotos wurden im Schaufenster des Geschäftes der Firma Kolkmeyer in der Georgstraße aufgehängt.

Im Zuge des im September 1933 verabschiedeten Reichskulturkammergesetzes wurden viele Juden zudem aus dem öffentlichen Dienst entlassen, darunter der oben erwähnte Fritz Berend.  Zahlreiche weitere Einschränkungen und Verfolgungen folgten. Im November 1935 kam es zu den ersten Enteignungen jüdischer Geschäfte wie des Textilkaufhauses der Familie Alsberg und des Haushaltswarengeschäftes Wertheim. Die bis dato größte jüdische Firma, die Wild- und Geflügelhandlung von Julius Cantor, wurde im Mai 1936 „arisiert“.

In der Folge der Enteignungen und der antisemitischen Propaganda verließen bis zu den Novemberpogromen 1938 mehr als 200 Jüdinnen und Juden Osnabrück, sodass am 26. Oktober 1938 nur noch 182 Gemeindemitglieder in Osnabrück lebten.

Die Ereignisse im November 1938

Am Abend des 9. November 1938 wurden neue SS-Mitglieder auf dem Marktplatz vereidigt, während die SA eine Feier anlässlich des 15. Jahrestages des Hitler-Ludendorff-Putschversuches in der unweit entfernten Stadthalle abhielt. Im Kontext des Todes von Ernst von Rath und einer Rede von Joseph Goebbels in München, in der er die Zerstörung jüdischer Geschäfte und Synagogen forderte, ging um 23.55 Uhr ein Schreiben der Gestapo Berlin in Osnabrück ein. Hierin wurden „spontane Aktionen“ gegen Juden befohlen. Die SA, die in dieser Nacht die Befehlsgewalt innehatte, wurde in der Stadthalle und in ihren Sturmlokalen informiert und zum Marktplatz geschickt. Um 0.30 Uhr sammelten sich 200 bis 300 SA-Angehörige auf dem Marktplatz. Neben der SA wurden auch dem BDM und der HJ befohlen, an den Pogromen teilzunehmen. Außerdem waren Parteimitglieder der NSDAP sowie die SS an den Ausschreitungen beteiligt, die genauso wie die SA, der BDM und die HJ in zivil auftreten sollten. Hintergrund war die gewollte Darstellung eines „spontanen Volkszornes“.

Gegen 1 Uhr nachts erschien eine Gruppe höher gestellter SA-Mitglieder auf dem Marktplatz und erörterte das geplante Vorgehen. Die SA-Männer wurden aufgeteilt: Während sich der eine Teil auf den Weg zur Synagoge in der Rolandstraße machte, fuhren die Übrigen in Kleingruppen à drei bis zehn Personen zu den Wohnungen der noch in Osnabrück lebenden Jüdinnen und Juden.

An der Synagoge angekommen, steckten die SA-Leute diese in Brand, nachdem sie Torarollen und andere Utensilien für den Gottesdienst auf die Straße geworfen haben. Da sich sowohl die Ordnungspolizei als auch die Feuerwehr zurückhalten sollten, wurde nichts gegen den Brand unternommen. Einzig das benachbarte Gebäude der Bezirksregierung wurde mit Wasser besprüht, weil sich die Akten aufgrund des Brandes der Synagoge erhitzten. Im Laufe der Nacht auf den 10. November wurde außerdem der Friedhof in der Magdalenenstraße geschändet.

Durch die Brandlegung oder andere Aktionen geweckt, sammelten sich viele Menschen auf den Straßen rund um die Synagoge: Augenzeugen berichteten, sie hätten die Straßen noch nie so voll gesehen wie in dieser Nacht. Unter den Schaulustigen herrschte teils Schweigen, teils war aber auch laute Zustimmung zu hören. Aktiver Widerspruch blieb aus.

Am nächsten Morgen führten Lehrer ihre Schulklassen zur rußgeschwärzten Synagoge, die immer noch qualmte.  Am selben Tag wurde von Oberbürgermeister Gaertner der Abriss der Synagoge aus „baupolizeilichen Gründen“ angeordnet; im Februar 1939 wurde sie gesprengt.

Während die Synagoge in Flammen stand und die Osnabrücker Zivilgesellschaft in williger Mittäterschaft agierte oder tatenlos zusah, drangsalierte die zweite Gruppe der SA-Männer Jüdinnen und Juden an ihren Wohnorten: Die Wohnungstüren wurden eingeschlagen, jüdische Männer im Bett mit Gummiknüppeln verprügelt sowie, oft nur mit Unterhose bekleidet, aus den Häusern in die eiskalte Nacht getrieben. Auf der Straße setzten sich die Misshandlungen fort, bis die jüdischen Männer mit Hilfe der Gestapo in Lastwagen gezerrt und direkt zur Gestapo-Stelle in das Osnabrücker Schloss gebracht wurden. Juden, die in der Osnabrücker Innenstadt lebten, wurden unter Tritten und Schlägen von der SA, meist an der brennenden Synagoge vorbei, zum Schloss geführt. Die Opfer berichteten später von Steinwürfen auf sie und Rufen, sie sollten an der nächsten Laterne aufgehängt werden. Insgesamt wurden 80 bis 90 Männer und einige Frauen in der Nacht verhaftet, alle Männer über 55 Jahren und die verhafteten Frauen wurden am nächsten Morgen  wieder freigelassen. NS-Funktionäre sperrten zudem Jüdinnen, deren Wohnungen zentral lagen, in der verwüsteten Wohnung der Familie Flatauer in der Herderstraße ein, die währenddessen ebenso mit Steinen beworfen worden ist. Auch sie durften das Haus morgens wieder verlassen.

Auch die noch existierenden jüdischen Geschäfte in Osnabrück wurden Ziel der antisemitischen Gewaltexzesse der Nacht, die meisten waren am Tag darauf verwüstet oder zerstört. Das auffindbare Geld wurde beschlagnahmt, alle unbeschädigten Waren eingesammelt und zu Sammelstellen transportiert. So plünderte die SA beispielsweise das Warenlager des Textilgeschäfts „Samson David“ an der Ecke Krahnstraße/ Hegerstraße, dessen Waren anschließend zu einem Preis von insgesamt 77.000 Reichsmark zwangsweise verkauft werden mussten. Analog zu anderen Zwangsverkäufen stellte der „erzielte“ Preis auch hier nur einen Bruchteil des eigentlichen Werts dar.

Reichskristallnacht

Die ausgebrannte Synagoge in der Osnabrücker Rolandstraße am 10. November 1938. Medienzentrum Osnabrück, Sammlung Ordelheide

Folgen

Die meisten verhafteten Osnabrücker Juden wurden anschließend in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Es fanden zwei bis drei Transporte mit je 20 bis 30 Personen statt; im ersten Transport am 11. November 1938 befanden sich 31 Juden aus Osnabrück. Im Gegensatz dazu wurden Adolf Cohen, Philipp Münz und Bruno Hermanns in das Konzentrationslager Sachsenhausen-Oranienburg verschleppt, vermutlich weil sie in  „Misch-Ehen“ lebten.

In den Konzentrationslagern setzten sich die in der „Reichskristallnacht“ erlittenen Demütigungen und Misshandlungen weiter fort, in deren Folgen der 33-jährige Julius Silbermann in Buchenwald starb. Die große Mehrheit kam erst nach mehr als drei Monaten wieder frei. Einzig Personen, die wie Siegfried Katzmann, Adolf Nieporent oder Max Gottschalk Auswanderungspapiere besaßen respektive Anträge gestellt hatten oder aber als deutsche Soldaten im 1. Weltkrieg gekämpft hatten, wurden früher aus den Konzentrationslagern entlassen.

Nach der Ankunft in Osnabrück bemühten sich viele Jüdinnen und Juden um eine Auswanderung. Anlässlich der Zerstörung ihrer wirtschaftlichen Existenz fehlte ihnen oftmals aber schlichtweg das nötige Geld, weswegen nur einigen die Flucht in die Niederlande, das damalige britische Mandatsgebiet Palästina, in die Vereinigten Staaten oder nach Großbritannien gelang. Die noch in Osnabrück lebenden Jüdinnen und Juden mussten wie in anderen Städten in „Judenhäuser“ umziehen und fortan die Vornamen „Sara“ und „Israel“ annehmen. Das größte „Judenhaus“ in Osnabrück befand sich in der Kommenderiestraße 11.

Mit dem Anschein einer Umsiedlung wurden im November 1941 mehrere Osnabrücker Jüdinnen und Juden benachrichtigt, bald nach Riga „umzuziehen“. Am 13. Dezember 1941 wurden sie mit weiteren Jüdinnen und Juden aus den Gestapobezirken Münster und Bielefeld nach Riga deportiert, insgesamt waren es 1.500 Leute. Diese Deportation überlebten nur fünf Jüdinnen und Juden aus Osnabrück. 28 weitere Jüdinnen und Juden wurden im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert, von denen niemand überleben konnte. Im März 1943 wurden sieben weitere Osnabrücker Jüdinnen und Juden, unter ihnen der letzte Gemeindevorsitzende Hermann Heymann, nach Auschwitz deportiert, einzig Frieda Höchster überlebte das größte deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager.

Die zwischenzeitlich innerhalb des Deutschen Reiches umgezogenen oder in die Niederlande emigrierten und dort verhafteten Jüdinnen und Juden mit eingerechnet, wurden  insgesamt 150 Osnabrücker Jüdinnen und Juden während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet.

Biografie - Hermann Heymann

Hermann Heymann wurde am 2. Februar 1894 am Markt 18/19 in der Osnabrücker Altstadt geboren. Er betrieb gemeinsam mit seiner Mutter Pauline Heymann sowie Gustav Hirtz das Kaufhaus „L.Heymann“, das sich ebenfalls am Markt befand. Infolge des Zwangsverkaufes des Geschäftes und des erzwungenen Auszuges aus der gemeinsamen Wohnung nahm sich seine Frau Berta Heymann 1938 das Leben. Wie die anderen Juden aus Osnabrück wurde auch Hermann Heymann in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 verhaftet und nach Buchenwald deportiert, von wo er erst im April 1939 wieder entlassen wurde. Zusammen mit seinen Eltern, seiner neuen Frau Marie sowie ihren Eltern musste er im April 1941 in das „Judenhaus“ in der Kommenderiestraße 11 ziehen. Von 1940 bis zu seiner Deportation 1943 nach Auschwitz war Hermann Heymann der letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde Osnabrück. Marie und Hermann Heymann wurden nach dem Krieg für tot erklärt.

Biografie - Ruth und Max Gottschalk

Max Gottschalk wurde am 18. Oktober 1904 als dritter Sohn von Frieda und Moses Abraham Gottschalk in Osnabrück geboren, Ruth Voss zehn Jahre später im Jahre 1915 in Wilhelmshaven. Max stieg später in das Viehhandelsgeschäft seines Vaters ein.

Kurz nachdem Ruth Voss im Jahre 1936 zur Unterstützung ihrer Großeltern aus Wilhelmshaven nach Osnabrück in den Kamp 16 gezogen war, lernten sich beide kennen. Zwei Jahre später verstarb  Ruths Großmutter und ihr Großvater wanderte in die Niederlande aus, woraufhin sich Ruth Voss und Max Gottschalk auch angesichts der sich immer weiter verstärkenden antisemitischen Gesetzgebung entschlossen auszuwandern. Glücklicherweise wohnte ein Großonkel von Ruth Voss in New Jersey, der für die seit dem 26. August 1938 verheirateten Ruth und Max Gottschalk sowie für Ruths Schwester Lore Einwanderungspapiere besorgen konnte. Nach einem Termin am 7. November 1938 im amerikanischen Konsulat in Hamburg reiste Max Gottschalk am 9. November kurzfristig nach Osnabrück, mit dem Ziel, sich von seinen Eltern zu verabschieden. In der Nacht wurde er mit seinen zwei Brüdern und seinem Vater, der in die kalte Haase geworfen worden war, im Haus seiner Eltern verhaftet, misshandelt und am 11. November nach Buchenwald deportiert. Einzig Max‘ Vater Moses Abraham wurde aufgrund seines Alters nicht nach Buchenwald gebracht.

Während Max in Buchenwald inhaftiert war, reiste Ruth Gottschalk am 12. November nach Osnabrück. Nachdem sie die ersten beiden Tage nichts über den Verbleib ihres Mannes erfahren konnte, wurde sie am Montag, den 14. November 1938, in der Zentrale der Gestapo im Osnabrücker Schloss verhört. Da sie die geforderten Papiere vom Finanzamt und der Bank vorzeigen sowie nachweisen konnte, dass Max Gottschalk Auswanderungspapiere besaß, wurde er gegen zusätzliches Bargeld noch am gleichen Tag aus Buchenwald entlassen. Auch seine Brüder Emil und Siegfried wurden aufgrund ihrer Teilnahme am 1. Weltkrieg bereits nach wenigen Wochen wieder freigelassen. Ruth reiste sofort nach Weimar, wo sie sich mit Max Gottschalk traf und beide nach Hamburg zu Ruths Eltern weiterreisen konnten. Anfang Dezember 1938 konnten Max und Ruth Gottschalk sowie Lore Voss von den Niederlanden aus in die Vereinigten Staaten emigrieren, zwei Jahre später folgte Siegfried Gottschalk. Emil Gottschalk wurde im Zuge des ersten Transportes aus Osnabrück im Dezember 1941 nach Riga deportiert und nach Kriegsende „für tot erklärt“, Frieda und Moses Abraham Gottschalk wurden im Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.

Erwin Kolkmeyer, NSDAP-Ortsgruppenleiter

Erwin Kolkmeyer wurde 1899 geboren und besaß in der Georgstraße ein Uhrengeschäft. Er trat im Jahr 1929 der NSDAP bei, war bis 1931 Mitglied der SA sowie kurzzeitig in der SS tätig. Zwischen 1934 und 1945 war Kolkmeyer NSDAP-Ortsgruppenleiter der Altstadt sowie ab 1937 Mitglied des Rates der Stadt Osnabrück. Neben diesen Tätigkeiten war Kolkmeyer aufgrund seiner – im Vergleich zu anderen Parteifunktionären und Bewohnern der Stadt – noch aktiver praktizierten Verfolgung von Jüdinnen und Juden berüchtigt: Fotos von Personen, die trotz des Boykott-Aufrufes in jüdischen Läden einkauften, wurden in einem Schaufenster seines Geschäftes ausgestellt; ein schon 1935 ausgewanderter Jude stellte fest, „dass er der größte Nazi war in Osnabrück“. Nachdem Kolkmeyer in der Nacht auf den 10. November 1938 sowohl auf dem Marktplatz als auch bei den späteren Ausschreitungen in Zivilkleidung gesehen wurde, winkte er am nächsten Vormittag aus der Synagoge kommend den anwesenden Schulklassen zu.

Noch bevor die anrückende britische Armee Osnabrück erreichte, verließ Kolkmeyer die Stadt und konnte untertauchen. Erst 1947 wurde er in Heilbronn gefasst und verhaftet. Während der Untersuchungshaft versuchte Kolkmeyer einem Bericht der Osnabrücker Kriegschronik zufolge Selbstmord zu begehen, was jedoch scheiterte. Im Anschluss des Prozesses wegen seiner Stellung als NSDAP-Ortsgruppenleiter wurde er vom Schwurgericht Recklinghausen im Mai 1948 zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt.

Nationalsozialisten

Erwin Kolkmeyer (schwarze Uniform) bei einer Parade der SA, Datum unbekannt. Medienzentrum Osnabrück, Sammlung Ordelheide

Justizielle Ahndung

Im Dezember 1949 fand in Osnabrück der „Synagogenbrandprozess“ statt, in dem insgesamt neun Personen angeklagt wurden, für die Brandstiftung und Zerstörung der Synagoge, die Plünderungen am nächsten Tag sowie für die Verhaftungen der Osnabrücker Juden maßgeblich verantwortlich zu sein. Unter ihnen waren neben dem ehemaligen Kreisleiter Wilhelm Münzer und dem ehemaligen Polizeidezernenten Rudolf Arnoldi auch Erwin Kolkmeyer, dessen Beteiligung an den Novemberpogromen von mehreren Zeugen bestätigt wurde. Im Verlaufe des Prozesses argumentierte dieser wie folgt: „Ich war erschüttert von dieser Tat, schließlich war es doch eine Kirche“. Seine Anwesenheit im Inneren der Synagoge begründete er damit, er habe „die auf einer goldenen Tafel angebrachten 10 Gebote“ betrachten wollen.

Der Prozess war geprägt von sich zurückhaltenden Zeugen, die nachweislich per Post und Telefon bedroht worden sind, weswegen das Gericht nur wenige Anklagepunkte nachweisen konnte. Schließlich wurde der Kreisleiter Wilhelm Münzer freigesprochen, Rudolf Arnoldi zu neun und Erwin Kolkmeyer zu zehn Monaten Haft verurteilt. Die weiteren Angeklagten, namentlich der ehemalige SA-Scharführer Heinz Kellermann, der ehemalige Leiter der SD-Außenstelle Walter Meyer, der ehemalige SA-Truppführer Heinz Knopf und Karl Wachsmann, der die Deportation nach Buchenwald geleitet hatte, wurden ebenfalls zu kurzen Haftstrafen zwischen vier und zehn Monaten verurteilt. Zwei weitere ehemalige SA-Männer mussten für drei Monate ins Gefängnis.

Spuren und Gedenken

Nach dem 2. Weltkrieg entstand bereits im Jahr 1945 wieder eine Synagogengemeinde, die von Ewald Aul mitbegründet wurde. Ewald Aul war einer von fünf überlebenden Osnabrücker Juden und später 25 Jahre lang Vorsteher der jüdischen Gemeinde. Die Gemeinde erhielt im September 1945 einen Hetzbrief, der einen Ausschnitt des „Borkumliedes“ beinhaltete. Kurz darauf wurden die Fenster der ehemaligen jüdischen Schule, die übergangsweise als Synagoge benutzt worden war, durch Steine eingeschlagen. Am 17. Dezember 1945 wurden neu-aufgestellte jüdische Grabsteine umgeworfen und beschädigt. Die jüdische Gemeinde Osnabrück entschloss sich Ende der 1960er Jahre, eine neue Synagoge und ein neues Gemeindehaus „In der Barlage“ im Stadtteil Weststadt zu errichten, wo sich die jüdische Gemeinde bis heute befindet. Zu diesem Zeitpunkt hatte die jüdische Gemeinde 64 Mitglieder. Ende des 20. Jahrhunderts vergrößerte sich die Gemeinde aufgrund vermehrter jüdischer Einwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion rapide, sodass die Gemeinde heute mehr als 1000 Mitglieder zählt.

Bis in die 1990er Jahre fand ein öffentliches Gedenken an die Opfer der Novemberpogrome in nur sehr begrenztem Umfang statt – wie in anderen deutschen Kommunen auch. 1980 wurden in zwei Metern Höhe drei kleine Gedenktafeln an der Seitenwand des Gebäudes der ehemaligen Bezirksregierung angebracht worden, wobei die mittlere Tafel die ehemalige Synagoge darstellt. Ein Abschnitt der Rolandstraße wurde zudem in die Alte-Synagogen-Straße umbenannt. Seit 2004 erinnert zusätzlich ein Mahnmal an die ehemalige Synagoge, auf deren Gelände sich heute ein Parkplatz befindet. Das Mahnmal wurde von der Stadt Osnabrück unter Mitwirken mehrerer Initiativen geplant und errichtet. Auf vier Tafeln werden die Ereignisse im November 1938 geschildert und kontextualisiert. Des Weiteren wurde eine zusätzliche Tafel an der Seitenwand des Gebäudes der ehemaligen Bezirksregierung angebracht, die die Gedenktafeln von 1980 kritisch beleuchtet.

Im Rahmen einer zentralen Gedenkveranstaltung wird jährlich auf Initiative des Büros für Friedenskultur der Stadt Osnabrück an die Novemberpogrome 1938 erinnert. Seit 2001 werden die Gedenkfeiern von unterschiedlichen Osnabrücker Schulen ausgerichtet. Im selben Jahr wurde am 9. November die „Gedenkstätte Gestapokeller“ im Osnabrücker Schloss eröffnet, die neben der Dauerausstellung auch immer wieder Sonderausstellungen zu verschiedensten Themen rund um den Nationalsozialismus und den Holocaust beherbergt.

Die Gedenkstätte Gestapokeller im Osnabrücker Schloss, 2018. Foto: Paul Kreimeyer

Darüber hinaus werden in Osnabrück seit dem 15. November 2007 Stolpersteine verlegt, die an Bürgerinnen und Bürger erinnern, welche im Nationalsozialismus aus ideologischen Motiven ermordet worden sind.

 

Erinnerungskultur

Drei Gedenktafeln aus dem Jahr 1980 an der Seitenwand der heutigen Polizeidirektion Osnabrück in der Alten-Synagogen-Straße, 2018. Foto: Paul Kreimeyer

Weiterführende Literatur und Links

Abendgymnasium Osnabrück (Hg.), Die Novemberpogrome 1938 in Osnabrück. Brandstiftung. Plünderung. Verfolgung, Bohmte 2002.

Avraham, Tamar / Fraenkel, Daniel, Osnabrück, in: Herbert Obenaus (Hg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Band 2, Göttingen 2005, S. 1196 – 1220.

Gander, Michael, Günstige Geschäfte. Interessen am Osnabrücker Synagogengrundstück. Gestapo, Oberbürgermeister und Regierungspräsident, in:  Heese, Thorsten (Hg.), Topografien des Terrors. Nationalsozialismus in Osnabrück, Bramsche 2015, S. 278 – 287.

Junk, Peter/ Sellmeyer, Martina, Stationen auf dem Weg nach Auschwitz. Entrechtung, Vertreibung, Vernichtung. Juden in Osnabrück 1900 – 1945, Bramsche 1989.

Kühling, Karl, Osnabrück 1933 – 1945. Stadt im Dritten Reich, Osnabrück 1980.

Sellmeyer, Martina, „Man hat immer Angst gehabt…“. Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde, in:  Heese, Thorsten (Hg.), Topografien des Terrors. Nationalsozialismus in Osnabrück, Bramsche 2015, S. 266 – 277.

Weitkamp, Sebastian, Osnabrücker, Uhrmacher, Nationalsozialist. Ortsgruppenleiter Erwin Kolkmeyer, in: Heese, Thorsten (Hg.), Topografien des Terrors. Nationalsozialismus in Osnabrück, Bramsche 2015, S. 396 – 411.

Stadt Osnabrück: Stolpersteine in Osnabrück

Stadt Osnabrück: Veranstaltungen zum 9. November 2018

Autor: Paul Kreimeyer, Student der Leibniz Universität Hannover

1938 in Niedersachsen

Achim

Vorgeschichte

Die ersten Hinweise auf in der Stadt Achim ansässige Juden stammen aus dem 18. Jahrhundert. Jacob Alexander erhielt am 7. Oktober 1746 von der Kurfürstlichen Regierung einen „Judenschutzbrief“, der ihm gegen bestimmte Zahlungen eine Aufenthaltsberechtigung und eine Handels- und Schlachtlizenz sowie den Schutz des Eigentums und des eigenen Lebenssicherte. Auch für jeden seiner Söhne beantragte Jacob Alexander „Judenschutzbriefe“. Die zweite jüdische Familie zog um 1800 nach Achim. Nathan Levi Anspacher fand als Knecht Arbeit bei einem der Söhne Alexanders. Im Jahr 1843 gab es mit dem Zuzug der Familie Alexander Seligmann den ersten jüdischen Privatlehrer in Achim.

Eine Volkszählung im Jahr 1852 zeigt, dass sich unter 11.909 Einwohnern mittlerweile 30 Juden befanden. Seit dieser Zeit kamen immer mehr jüdische Familien nach Achim und jüdisches Leben wurde Stück für Stück zu einem Teil der Stadt.

Im Jahr 1864 wurde durch die Spende von Elias Alexander eine Synagoge für die jüdische Gemeinde errichtet. Diese befand sich auf dem Grundstück des Spenders, einem Hinterhof in der heutigen Synagogenstraße und erhielt den inoffiziellen Namen „Scheune mit Synagoge“. Die Synagoge war nicht sonderlich auffällig und von einem herkömmlichen Wohnhaus nicht zu unterscheiden. Die Innenausstattung und -einrichtung beschränkte sich nur auf das Nötigste.

Ein Bericht über einen jüdischen Feiertag sowie eine Vielzahl an Anzeigen jüdischer Geschäftsleute in Achim in der seit 1878 erscheinenden Achimer Zeitung macht deutlich, dass jüdisches Leben in Achim in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts selbstverständlich geworden war. Einige jüdische Geschäftsleute setzen mit der Übernahme bestimmter Ämter in der Gemeinde außerdem ein Zeichen der Assimilation. So wurden im Jahr 1888 Alfred Moses Heilbronn Agent der Gesellschaft „Equitable“ und der Kaufmann Alexander zum Wahlmann der 3. Abteilung im „Oelfkeschen Locale“ ernannt.

Allerdings gab es auch immer wieder Zeichen von Antisemitismus. In der Ausgabe des Achimer Kreisblatts vom 24. August 1889 veröffentlichte die lutherische Kirchengemeinde der Stadt Achim einen Aufruf, der die Ablehnung des jüdischen Glaubens deutlich machte und die Achimer Nichtjuden zur „Judenmission“ anhielt.

Im Februar 1890 kam es zu ersten Ausschreitungen, als eine große Fensterscheibe des Hauses von Jakob Alexander und fünf weitere Scheiben des Kornhauses eingeschlagen wurden.

Der seit dem 19. Jahrhundert bestehende jüdische Friedhof wurde wiederholt das Ziel judenfeindlicher Übergriffe. 1892 zündeten Achimer Schüler das trockene Gras des Friedhofs an, was hinterher lediglich als „Schuljungenstreich“ abgetan wurde. Im Mai 1900 kam es zu stärkeren Verwüstungen. Der Grabhügel sowie Steine und Inschriften wurden in Mitleidenschaft gezogen. Die Stadt Achim zeigte sich solidarisch mit der jüdischen Gemeinde und lobte eine Belohnung von 50 Mark für die Ergreifung des Täters aus. Auch das Kreisblatt berichtete von den Ereignissen und beschrieb diese als „Rohheit“, betitelte die Handlung der Täter oder des Täters im Laufe des Berichts jedoch verharmlosend als „Unfug“.

Das Jahr 1913 war für die Juden in Achim im Hinblick auf die Bildung von besonderer Bedeutung. Mit der Anerkennung der jüdischen Schule als öffentliche Schule wurden auch die Abschlüsse der Schule anerkannt, und die Schule konnte auf finanzielle Unterstützung des Staates hoffen. Im selben Jahr betrug der Anteil von Juden an der Ortsbevölkerung etwa zwei Prozent.

Während des Ersten Weltkrieges verlief das Leben der Achimer Juden kaum anders als das der nichtjüdischen Bevölkerung. Viele Achimer Juden kämpften als Soldaten an der Front. Auch nach dem Krieg engagierten sich die Achimer Juden im städtischen Leben.

Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war besonders durch wirtschaftlichen Aufschwung geprägt, die jüdischen Geschäfte und Unternehmen hatten ein gutes Einkommen und waren endgültig in die Achimer Bevölkerung integriert. Viele Achimer Bürger berichteten von der Großzügigkeit der jüdischen Geschäftsleute. Dabei sind besonders die Familien Heilbronn (Textilwarengeschäft) und Anspacher zu nennen, die größere Geschäfte in Achim besaßen. Der Viehhändler Anspacher leistete kleinen Bauern immer wieder Unterstützung, wenn diese durch das Sterben ihrer Tiere vor dem Ruin standen. Viele Achimer Juden beteiligten sich darüber hinaus durch Mitgliedschaften in Vereinen, besonders im örtlichen Schützenverein, am Gemeinschaftsleben der Bremer Vorstadt. 1929 zählten zehn jüdische Familien zur Achimer Bevölkerung.

Am 21. April 1924 kam es jedoch wieder einmal zu Ausschreitungen auf dem jüdischen Friedhof. Das Kriegerdenkmal der Gefallenen im ersten Weltkrieg wurde mit Steinen beworfen, außerdem versuchten Unbekannte, den Gedenkstein umzustoßen und beschmierten diesen mit Hakenkreuzen

Mit dem Antritt der „Deutschen Freiheitsbewegung“ bei den Reichstagswahlen 1924 begann in Achim die Hetze gegen die jüdische Gemeinde, federführend durch den ersten Ortsgruppenleiter Wilhelm Rieke. Aus dieser „Bewegung“ ging später die Achimer Ortsgruppe der NSDAP hervor. Aus Archivberichten geht hervor, dass es immer wieder Versammlungen mehrerer Nationalsozialisten vor dem Gasthaus „Gieschens Hof“ gab. Von dort zogen diese, antisemitische Parolen grölend, weiter zum Textilwarengeschäft der jüdischen Familie Heilbronn. Sie sangen:

„So steh’n die Sturmkolonnen zum Rassenkampf bereit.
Erst wenn die Juden bluten, erst dann sind wir befreit.
Kein Wort mehr vom Verhandeln, was doch nichts nützen kann.
Mit unserem Adolf Hitler wir greifen euch mutig an.
Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig!
Laßt die Messer flutschen in den Judenleib!
Blut muss fließen knüppeldick.
Wir scheißen auf die Freiheit der Judenrepublik.“

Zu organisierten Übergriffen gegen die Achimer Juden kam es nach der Machtübernahme der NSDAP am 30. Januar 1933. Achimer Altgardisten gründeten in dieser Zeit eine SA-Abteilung. Trotz der zunehmenden judenfeindlichen Aktionen standen die Achimer Juden bei einer Gedenkfeier am Kriegerdenkmal auf dem jüdischen Friedhof im März 1933 treu zum deutschen Staat.

Der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte ging auch nicht an der Stadt Achim vorbei.  SA-Angehörige postierten sich am 1. April 1933 vor den jüdischen Geschäften. Berichten zufolge fotografierte ein Mann Kunden vor dem Textilwarengeschäft Heilbronn, um diese einzuschüchtern. Der Plan ging auf. Nach dem Boykott kauften immer weniger Kunden in den Geschäften der Achimer Juden ein. Auch das Achimer Kreisblatt stimmte bald in die antisemitische Hetze ein. Ab 1936 war es der Synagogengemeinde untersagt, in der Volksschule jüdischen Religionsunterricht zu geben.

1936 wanderten wegen der zunehmenden Ausgrenzung und Verfolgung die ersten Juden Achims aus. Kurt Heilbronn, der Sohn Siegried Heilbronns, begann in Manchester ein neues Leben. Im Juli 1937 verließ auch sein Bruder Hans die Stadt und fand in Los Angeles ein neues Zuhause. Im selben Jahr beschlossen Wilhelm Seligmann und seine Frau Deutschland zu verlassen. Vorher war die Tochter Johanna in der Schule als „Judensau“ beschimpft und mit Steinen beworfen worden. Die Großmutter des Mädchens unternahm einen Selbstmordversuch, der jedoch durch das NSDAP-Mitglied Hermann Haake verhindert worden konnte. Für Haake bedeutete dies den Ausschluss aus der Partei.

Doch nicht nur die Seligmanns bekamen den Judenhass der Nationalsozialisten zu spüren. Die Hetze trieb viele Achimer Juden in die Flucht. Viele versuchten im Jahr 1936 und 1937, in Bremen ein neues Leben anzufangen, weil sie hofften, in einer Großstadt weniger aufzufallen und so den Anfeindungen zu entgehen. Nach einiger Zeit wurde aber deutlich, dass diese Hoffnungen Trugschlüsse waren. Auch in Bremen war die Hetze gegen Juden weit verbreitet.

Im August 1938 mussten die Achimer Juden sich in Listen eintragen und ab Oktober ihre Geschäfte mit Plakaten als „jüdisch“ kennzeichnen.

Während die jüdische Synagogengemeinde Achim zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch 80 Mitglieder zählte, gab es 1939 nur noch 13 Juden in der Bremer Vorstadt.

Die Ereignisse im November 1938

In der Pogromnacht vom 9. November bis 10. November 1938 blieb in Achim kein Gebäude jüdischer Eigentümer unbeschädigt. Die Achimer Nationalsozialisten trafen sich vor der Synagoge im Hinterhof des jüdischen Unternehmers Alexander. Dem Bericht von Zeitzeugen zufolge wurde die Einrichtung der Synagoge zu Brennholz zerkleinert und von den Achimern mitgenommen, um ihren Vorrat aufzufüllen. Die Seitentüren wurden komplett zerstört. Außerdem soll es in der Synagoge ein Fass gegeben haben, indem die Nationalsozialisten religiöse Utensilien verbrannten. Die Synagoge selbst wurde nicht angesteckt, nachdem der Besitzer des benachbarten Hotels „Gieschens Hof“ die anwesenden SA-Männer gebeten hatte, auf die Brandstiftung zu verzichten, weil er befürchtete, dass das Feuer auf das Hotel übergreifen könnte. Im Achimer Kreisblatt hieß es am Folgetag:

„Es wäre wahrscheinlich in Flammen aufgegangen, wenn nicht für die unmittelbar angrenzenden Häuser Gefahr bestanden hätte. Von dem flammenden Zorn unserer Achimer Volksgenossen erhält man ein Bild, wenn man die Überreste dieses schmierigen Judentempels sieht: es blieb buchstäblich kein Stück aufeinander, und daß unser Ort niemals wieder durch ein ähnliches ‚Kleinod‘ verbrecherischer Giftmischerei verschandelt wird, das sind wir den Ermordeten der Bewegung schuldig.“

Nach der Zerstörung der Achimer Synagoge zogen die angestachelten Nationalsozialisten der Stadt Achim zu den Wohnhäusern und Geschäften weiterer Juden. Die Polizei schritt nicht ein. Der Mob durchsuchte die Wohnungen, schlug die Fensterscheiben ein, plünderte die Auslagen und beschmierte die Hauswände. Der Zeitzeuge Karl Ravens berichtet von völlig zerstörten Fenstern des Hauses Seligmann und vom zerschlagenen Mobiliar des Bekleidungsgeschäfts der Familie Heilbronn, sowie von den Auslagen, die völlig durchwühlt waren. Jedes verwüstete Geschäft oder Wohnhaus wurde am nächsten Tag von SA-Mitgliedern bewacht.

Am Folgetag des 10. November berichtete das Achimer Kreisblatt hauptsächlich von der „Durchsuchung“ des Hauses der Familie Anspacher. Man habe eine Menge Tausendmarkscheine gefunden sowie Mengen an Altsilber, Nickel und Kupfer. Laut der Darstellung des Kreisblatts hielten die Anspachers diese Kostbarkeiten absichtlich zurück, um der deutschen Wirtschaft zu schaden. Der Abtransport habe aufgrund des umfangreichen beschlagnahmten Besitzes stundenlange Arbeit beansprucht. Allgemein rechtfertigte das Kreisblatt die Ausschreitungen in Achim als „eine Antwort auf die feige jüdische Mordtat“ von Paris.

In der Pogromnacht wurden mehrere Achimer Juden verhaftet und in das örtliche Gefängnis gebracht. Über Bremen wurden die Männer am nächsten Tag in das KZ Sachsenhausen transportiert. Für die Kinder war in Bremen allerdings Stopp. Sie durften zurück in ihre Heimatstadt Achim. Nach der Ankunft der Gefangenen im KZ Sachsenhausen ließ die SS ihre Gefangenen 25 Stunden bei eisiger Novemberkälte auf dem Appellplatz verharren. Einige der verhafteten Juden befanden sich noch im Schlafanzug, da sie ohne Vorwarnung aus ihren Betten gerissen worden waren. Viele waren über den Grund ihrer Verhaftung im Unklaren. Später wurden die Festnahmen damit begründet, dass jeder Jude für die Mordtat an Ernst von Rath zu büßen habe und als Geisel dafür hafte, dass kein weiterer Mord geschehe.

Gebäude Achim

In diesem Haus befand sich früher das Textilwarengeschäft der Familie Heilbronn. Derzeit (2018) steht es leer. Foto: Ann-Christin Weber

Gebäude Achim

Das Hotel „Gieschens Hof“, 2018. Foto: Ann-Christin Weber

Folgen

Im Unterschied zu vielen anderen überlebten alle Achimer Juden die Haft im KZ Sachsenhausen. Die meisten von ihnen blieben dort bis Weihnachten 1938. Veteranen aus dem Ersten Weltkrieg wie Hermann Anspacher wurden jedoch schon früher entlassen. Der 73jährige Mann wurde nach seiner Rückkehr nach Achim aufgefordert, die Schäden in der Kornstraße, die in der Reichspogromnacht entstanden waren, auf eigene Kosten zu beseitigen. Die anderen aus dem KZ Sachsenhausen zurückkehrenden Juden blieben erst einmal in Achim, versuchten nun aber die Emigration zu forcieren.

1938/39 gelang es mehreren Achimer Juden, zu emigrieren. 1938 verließen Rosi Heilbronn und ihr Ehemann Wolf Podolsky die Stadt Achim, ebenso wie Ingeborg Anspacher. 1939 verließen zehn weitere Achimer Juden das Land. Außerdem planten drei weitere Familien die Auswanderung, blieben jedoch trotz intensiver Vorbereitungen aus unbekannten Gründen in Achim zurück. Insgesamt verließen zwischen 1936 und 1939 insgesamt 17 jüdische Bürgerinnen und Bürger die Stadt Achim, um dem nationalsozialistischen Terror zu entkommen. Die Novemberpogrome beschleunigten die Auswanderungsbemühungen.

Von dem „Gesetz über die Mietverhältnisse mit Juden“, das am 30. April 1939, wenige Monate nach der Pogromnacht, in Kraft trat, war besonders die Familie von Paul Anspacher betroffen, die bei einer alleinstehenden deutschen Frau zur Miete wohnte. Diese befolgte das Gesetz bis September 1939 allerdings nicht, da sie davon ausging, dass die jüdische Familie ohnehin bald auswandern würde. Auf Druck des Ortsgruppenleiters und des Bürgermeisters kündigte die Vermieterin der Familie zum 1. Oktober 1939 doch.

Bis zum Februar 1940 wechselten vier Mietshäuser ihren Eigentümer. Die zerstörte Synagoge wurde noch am 16. Januar 1939 für 1200 Reichsmark an Wilhelm Braun verkauft. Fortan wurde das ehemalige Gotteshaus als Lagerschuppen genutzt. Der Großteil jüdischen Eigentums in Achim war somit bis 1940 „arisiert“.

In der folgenden Zeit kannen die Anfeindungen gegen Juden in Achim keine Grenzen mehr. Ein Nationalsozialist stieß im Jahr 1940 alle Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof um. 1941 verschlechterte sich die Lage der in Achim verbliebenen Juden weiter. Wie überall im Reichsgebiet wurden sie gezwungen, einen Davidstern auf der Kleidung zu tragen. Im November 1941 erfolgte die Deportation der Juden in Achim. Ausgenommen blieben nur die Familie Seligmann und einige jüdische Frauen, die in „Mischehen“ lebten. Nach der vier- bis fünftägigen Zugfahrt erreichten die Achimer Juden das Ghetto Minsk. Dort fanden die Angehörigen der Familie Paul Alexander, Louis Friedemann und Erich Harf bei einer der „großen Säuberungen“ den Tod. Günther Anspacher konnte rechtzeitig aus dem Ghetto fliehen. Sein weiteres Schicksal ist nicht bekannt.

Über das Schicksal der in „Mischehen“ lebenden Achimer Jüdinnen ist nichts Weiteres bekannt. Die wenigen in Achim und Bremen verbliebenen Juden wurden im Sommer 1942 ins Ghetto Minsk deportiert. Dort starben mehrere Achimer Juden und Jüdinnen unter großen Qualen. Andere wurden von Minsk in das Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau deportiert.

Biografie - Kurt Anspacher

Kurt Anspacher wurde am 1. Mai 1925 als Sohn von Emma und Albert Anspacher geboren und verbrachte seine Kindheit in der Obernstraße 45. Schon im Jahr 1935 wurden dem jungen Kurt die Anfeindungen gegen seinen Glauben bewusst. Auf seiner Bar-Mitzwa-Feier wurden die Scheiben der Synagoge von Nationalsozialisten mit Steinen eingeworfen. In der Pogromnacht verhaftete die Polizei Kurt. Im Gegensatz zu den erwachsenen Juden aus Achim wurde der 13-Jährige jedoch nicht in das KZ Sachsenhausen gebracht und konnte bald nach Hause zurückkehren. Allerdings wurde ihm verboten, weiter die Volksschule in Achim zu besuchen. Sein Vater wurde im Dezember 1938 aus dem KZ Sachsenhausen entlassen

Nach dem fehlgeschlagenen Versuch seiner Familie, auszuwandern, wurden Kurt und seine Eltern im November 1941 nach Minsk deportiert. „Uns wurde gesagt, wir würden umgesiedelt werden, nach Russland, um das Land aufzubauen“, sagt Anspacher in einem Interview. Im Ghetto wurde Kurt Anspacher mit gerade einmal 16 Jahren mit furchtbaren Dingen konfrontiert. So wurde er etwa schon bald gezwungen, neben den Leichen verstorbener Juden zu schlafen. Der Cousin von Kurt Günther Anspacher floh, wie Anspacher später berichtete, „mit einem russischen Mädchen zu den Partisanen“. Zur Strafe brachte die SS alle Familienmitglieder, auch Kurt, auf den Appellplatz, um sie dort zu erschießen. Kurt Anspacher entging der Erschießung, indem er sich unter eine Arbeitskolonne mischte, die gerade am Appellplatz vorbeizog. Seine Eltern Emma und Albert Anspacher hingegen wurden ermordet.

Als Waise durchlief Kurt Anspacher anschließend verschiedene Lager: Budzyn, Treblinka, Mielec, Flossenbürg, Kamenz, Mauthausen und Dachau. Dort wurde Kurt Anspacher am 29. April 1945 von amerikanischen Soldaten befreit. Er wog zu diesem Zeitpunkt noch 33 Kilogramm. Die Amerikaner wiesen ihn in ein Krankenhaus ein, dass er jedoch nach einigen Wochen verließ, weil er fürchtete, von den deutschen Ärzten getötet zu werden. Nun kehrte er nach Achim zurück. Dort erwartete ihn allerdings eine Enttäuschung. Das Elternhaus war, wie er später berichtete, „voller Deutscher“. Bei einem Arztbesuch wurden bei ihm Tuberkulose (TBC) und Typhus diagnostiziert. Da er entgegen der Anweisung des Arztes nicht nach Goslar in ein Krankenhaus ging, wurde er von Bremen aus in ein TBC-Sanatorium nach Davos in der Schweiz eingewiesen.

Vorher hatte er laut eines Protokollauszugs des Gemeindeausschusses vom 3. April 1946 die Stadt Achim um die Rückgabe des Elternhauses in der Langenstraße 90 gebeten. Aufgrund seines Sanatorium-Aufenthalts wurde der Antrag jedoch zurückgestellt. Ob er jemals bearbeitet wurde, geht aus den Archivunterlagen nicht hervor. Im Jahr 1948 wanderte Kurt Anspacher nach Chicago in den USA aus und lernte dort seine Ehefrau Eleanor Parker kennen. Mit seiner Heirat im Jahr 1973 nahm er den Nachnamen seiner Frau an und hieß fortan Curt Parker.

Die Stadt Achim hatte gelegentlich Kontakt mit dem Zeitzeugen und es wurden Interviews für die Archive angefertigt. Auch im Rahmen des sogenannten Spielberg-Projektes entstand ein Videointerview mit ihm. Der einzige Achimer Jude, der den Holocaust überlebt hatte, starb im Jahr 2011

Biografie - Albert Seligman

Albert Seligmann wurde am 9. Mai 1869 in Ronnenberg geboren. In den 1890er Jahren zog er nach Achim, wo er im September 1894 Nanny Alexander heiratete. Familie Seligmann lebte in der Obernstraße 116. Albert Seligmann wurde ein angesehener Bürger der Stadt und übernahm zwei wichtige Ämter: 1913 wurde er zum Obermeister der Schlachterinnung im Kreis Achim ernannt, und  nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde er Vorstandsmitglied in der Ortsgruppe der Deutschen Demokratischen Partei der Stadt Achim. Im Ersten Weltkrieg wurde er mit dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse geehrt. Sein Sohn Hugo überlebte den Krieg nicht.

In den 1920er Jahren, als in Achim der Antisemitismus zunahm, versuchte Albert Seligmann stetig die jüdische Gemeinde zu verteidigen. So zeigte er 1924 den Ortsvorsteher Pape an, den er dabei beobachtet hatte, wie er ein Plakat des „Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten“ überschrieb. Im gleichen Jahr wurde bei einer Versammlung der „Nationalsozialistischen Freiheitsbewegung“ eine Rede mit judenfeindlichen Äußerungen gehalten. Seligmann versuchte vergeblich dagegen vorzugehen und die Anfeindungen als Vorurteile bloßzustellen.

Bereits vor den Geschäftsboykotten im Jahr 1933 gingen SA-Mitglieder gegen die Metzgerei Seligmann vor. Sie postieren sich am Gasthaus an der Ueser Brücke und wollen die Fleischlieferung an die Metzgerei blockieren. Während des Aprilboykotts 1933 hielt Seligmann sein Geschäft geschlossen. Die SA hängte trotzdem ein Hetzplakat an die Geschäftsfront.

1937 musste Seligmann sein Geschäft aufgeben, da ihm die Gewerbegenehmigung unter dem Vorwand, er habe Steuern hinterzogen, entzogen wurde. Beschwerden Seligmanns beim Landrat und beim Reichsinnenministerium waren erfolglos geblieben. Auch der Versuch, das Geschäft an seinen verbliebenen Sohn Wilhelm zu überschreiben, scheiterte, da dieser von den Behörden als „notorisch unzuverlässig“ eingestuft wurde. Wenig später wanderte Wilhelm Seligmann mit seiner Familie in die USA aus. Nach Kriegsbeginn zogen Albert Seligmann und seine Frau Jenny (Nanny) nach Bremen in ein „Judenhaus“. Von dort wurden die beiden in das Ghetto Theresienstadt deportiert, wo sie am 23. Juli 1942 starben.

Biografie - Liesel Anspacher

Liesel Anspacher wurde als zweites Kind von Lilli und Carl Anspacher am 7. April 1924 in Achim geboren. Gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Günther besuchte sie die Volksschule am Ort. Nach der Pogromnacht war es ihr, den Dokumenten zufolge, ab dem 12. November 1938 nicht mehr erlaubt, die Schule zu besuchen. Zusammen mit ihrer Familie wurde Liesel Anspacher am 17. November 1941 in das Ghetto Minsk deportiert. Laut dem Zeitzeugen Kurt Osmers-Cohrs traf Liesel Anspacher dort in der Schneiderei, in der sie Zwangsarbeit verrichten musste, Lotte Alexander wieder, die ebenfalls aus Achim stammte. Dem Bericht nach wussten beide, dass sie ein grausamer Tod erwarten würde, weswegen sich die beiden „für immer“ voneinander verabschiedeten. Die Spuren von Liesel Anspacher und ihrer Familie verlieren sich im Ghetto Minsk.

Justizielle Ahndung

Der Entnazifizierungsausschuss Kreis Verden erstattete bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Verden „Anzeige gegen Unbekannt wegen Raub, Diebstahl, Plünderung, Sachbeschädigung etc. jüdischen Vermögens in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 in Achim. Durch die ungesetzliche Wegnahme von Geld und Wertgegenständen, sowie durch Zerstörungen in der Synagoge und in den Judenhäusern sind zweifellos Verbrechen begangen worden. Durch Vernehmung aller noch ortsanwesenden früheren Mitgliedern der ehemaligen Achimer SA. dürfte sich ein genaues Bild der damaligen Vorgänge ermitteln lassen.“

Die Staatsanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen gegen 14 ehemalige SA-Mitglieder aus Achim und den ehemaligen SA-Obersturmführer Wilhelm Eicke aus Bremen aus. Am 23. September 1948 wurde das Verfahren vor dem Schwurgericht Verden gegen sieben Männer eröffnet:

  • Wilhelm Eicke (Jg. 1898), Kaufmann, NSDAP 01.05.1933, SA-Sturmbannführer
  • Wilhem Eggert (Jg. 1888), Steuersekretär, NSDAP 1937, SA-Sturmführer
  • Johann Kohlmann (Jg.1912), Tischler, NSDAP 1932, SA-Oberscharführer
  • Herbert Förster (Jg.1907), Sparkassenangestellter, NSDAP 1937, SA-Rottenführer
  • Heinrich Oelkers (Jg.1908), Werkführer, NSDAP 1937, SA-Scharführer
  • Cord Mindermann (Jg.1915), Bauer, NSDAP 1933, SA-Oberscharführer
  • Friedrich Bleckmann (Jg.1893), Maler, NSDAP1937, SA-Rottenführer

 

Am zweiten Verhandlungstag fällte das Gericht die Urteile:

  • Eicke wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit in Tateinheit mit einem Vergehen der Freiheitsberaubung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
  • Eggert und Kohlmann wegen Freiheitsberaubung zu einer Gefängnisstrafe von sieben bzw. vier Monaten.
  • Förster wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung zu einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten.
  • Oelkers wurde freigesprochen.
  • Die Verfahren gegen Mindermann und Bleckmann wurden eingestellt.

 

Die Anwälte der Verurteilten und der Oberstaatsanwalt reichten Revisionsanträge beim „Obersten Gerichtshof für die Britische Zone“ in Köln ein, der die Urteile aufhob und die Sache zur neuen Verhandlung an das Landgericht Verden zurück verwies.

Am 17. April 1951 wurden Wilhelm Eicke und Wilhelm Eggert erneut angeklagt. Der Staatsanwalt beantragte gegen Eicke zwei Jahre und drei Monate und gegen Eggert neun Monate Gefängnis. Das Schwurgericht verurteilte Eicke wegen schweren Landfriedensbruches und räuberischer Erpressung sowie durchgeführter Freiheitsberaubungen in vier Fällen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einem Jahr Gefängnis. Das Verfahren gegen Eggert wurde aufgrund des Straffreiheitsgesetzes vom 31. Dezember 1949 eingestellt. Das Gesetz amnestierte alle vor dem 15. September 1949 begangenen Taten, die mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bzw. bis zu einem Jahr auf Bewährung bestraft werden konnten.

In der Urteilsbegründung führte der Richter aus, dass auf der Anklagebank nicht die wirklichen Drahtzieher, sondern nur die kleinen Sünder säßen. „Es sei ein Gebot der Gerechtigkeit, dass diese Straftaten heute noch gesühnt würden, denn der damalige Staat habe eine Strafverfolgung nachdrücklich untersagt.“

Beschlagnahmtes Vermögen der Familien Albert, Paul und Karl
Anpacher.
NLA ST Rep. 171a Verden Nr. 587, Blatt 11

Mann

Wilhelm Eicke. Staatsarchiv Bremen, 4,66 I. – 2573 Wilhelm Eicke

Spuren und Gedenken

An der ehemaligen Synagoge erinnert seit 1990 ein Denkmal an die ermordete jüdische Bevölkerung Achims. Mauern aus Basaltsteinen sollen den Umriss der Synagoge nachzeichnen. In einem Mauerteil befindet sich ein Schmuckstein mit einem zerbrochenen Davidstern. Dieser stammt aus den Überresten der in der Pogromnacht zerstörten Achimer Synagoge. Außerdem befindet sich auf Augenhöhe eine Kupfertafel, die folgende Inschrift trägt:

„Zum Gedenken an unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger
Und an die Synagoge, die hier gestanden hat. Am 9.November 1938
Wurde sie mutwillig zerstört.
Vergessen führt in die Verbannung. Erinnern ist jedoch das
Geheimnis der Befreiung.“

Das Synagogendenkmal wurde am 21. Mai 1990 eingeweiht. Das Denkmal befindet sich an der Anspacherstraße und dem „Synagogenweg“, einem kleinen Fußweg.

Am 9. November 1988 fand anlässlich des 50. Jahrestages der Pogromnacht ein Schweigemarsch statt, an dem circa 800 Bürger und Bürgerinnen beteiligt waren – für Achim, das gut 30.000 Einwohner zählt, eine recht beachtliche Zahl. Startpunkt des von der evangelischen Kirchengemeinde organisierten Marschs war der jüdische Friedhof. Ein ökumenischer Gottesdienst in der St. Laurentius-Kirche beendete das Ereignis.

Der jüdische Friedhof in Achim wird gepflegt und kann ohne vorherige Anmeldung nicht betreten werden. Aufgrund seiner etwas abgelegenen Lage ist der Friedhof den meisten Achimern unbekannt.

Drei Straßennamen erinnern in Achim an das ausgelöschte jüdische Leben der Stadt: der Synagogenweg direkt am Synagogendenkmal (dieses wurde 1990 eingeweiht), die Anspacherstraße, die Kurt Anspacher gewidmet ist, und die Heilbronnstraße, benannt nach der Familie Heilbronn, die dort ein Textilwarengeschäft betrieben hatte. Der Umbenennung der Straße am „Schmiedeberg“ in Heilbronnstraße im Jahr 1994 waren einige öffentliche Debatten vorausgegangen. Zunächst hatte die SPD-Fraktion im Stadtrat beantragt, den Platz vor dem ehemaligen Textilwarengeschäft der Familie Heilbronn in „Heilbronnplatz“ umzutaufen. Dieser Antrag stieß jedoch auf Ablehnung. Die Grünen schlugen stattdessen vor, den Platz in „Stadtplatz“ umzubenennen. Auch die CDU war für einen anderen Namen. Es wurde sich letztendlich 1994 darauf geeinigt, dass ein Durchgang zwischen den Geschäften Rumsfeld und Rewe „Heilbronnstraße“ benannt wird.

Auch das Setzen einiger der 19 Stolpersteine in Achim sorgte bei manchen Bürgern für Unmut, besonders bei den Besitzern einiger Häuser, vor denen Steine gesetzt wurden. Offenbar befürchteten die Hauseigentümer Anfeindungen. Die Häuser werden heute noch bewohnt. Die Idee, mit den Stolpersteinen ein Denkmal in Achim für die in den Vernichtungslagern ermordeten Juden zu setzen, kam von der Initiative „Achimer Appell“. Die durch Paten finanzierten Stolpersteine werden seither gut in Stand gehalten und zuletzt im Mai 2018 wieder auf Hochglanz gebracht. Allerdings beteiligten sich nur recht wenige Bürger an der Putzaktion.

Ein weiteres Zeichen für die Opfer des Nationalsozialismus ist die Namensgebung der Hauptschule in Achim, die seit 2015 Liesel-Anspacher-Schule heißt und damit an eine junge Jüdin aus Achim erinnert, die im Ghetto Minsk ihr Leben ließ. Die Idee für den Namen kam der Achimer Bürgerin Edith Bielefeld. Bei einer Gedenkveranstaltung an den Stolpersteinen wurde sie von Vertretern der Hauptschule Achim darauf aufmerksam gemacht, dass ein neuer Name für die Schule gesucht werde. Edith Bielefeld, die auch Patin für den Stolperstein der Namenspatronin ist, hielt den Namen von Liesel Anspacher für die Namensgebung der Schule für geeignet, da die junge Jüdin ebenfalls in Achim zur Schule gegangen ist. Die Schule setzte den Vorschlag um. Da es vor der offiziellen Umbenennung kein Foto von Liesel Anspacher gab, trat Edith Bielefeld mit Clemens Schultz, dem Cousin der Namenspatronin, der heute in Amerika lebt, in Kontakt und fragte nach Fotografien und Informationen. Letztlich kamen diese dann von der Witwe des verstorbenen Curt Parker, dem anderen Cousin von Liesel Anspacher. Bei der Einweihung des Namens wurde der Cousin Clemens Schultz live dazu geschaltet.

Trotz der Straßen- und Schulbenennungen sowie der Stolpersteinverlegungen ist die jüdische Vergangenheit der Stadt kaum präsent. Eine aktive Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur findet nur durch eine kleine Gruppe engagierter Bürgerinne und Bürger statt. Positiv hervorzuheben ist das Engagement der Liesel-Anspacher-Schule, die jedes Jahr Projekttage zur Geschichte der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung in Achim veranstaltet.

Bis heute gibt es keine jüdische Gemeinde in der Stadt Achim.

Das Synagogendenkmal soll an die Zerstörung der Synagoge in Achim in der Pogromnacht erinnern. Es bildet den Grundriss des ehemaligen Gotteshauses ab. Foto: Ann-Christin Weber

Weiterführende Literatur

Beermann, Gerrit / Hofmann, Kerstin / Veit, Franziska / Voß, Andreas: Jüdisches Leben in Achim von den Anfängen bis zur Gegenwart, 2. Auflage, Achim: Arbeitsgemeinschaft Regionalgeschichte Achims des Cato Bontjes van Beek-Gymnasium, 2015.

Griep, Wolfgang: Achimer Juden im Dritten Reich, in: Achimer Geschichts-Hefte. Regionalhistorisches Magazin der Geschichtswerkstatt Achim, Heft 1, November 1988.

Voß, Andreas: Die jüdische Gemeinde in Achim. Schriftliche Hausarbeit zur Prüfung für das Lehramt an Realschulen, unveröffentlichtes Manuskript, Achim 1999.

Woock, Joachim: Die Täter der Pogromnacht in Achim: „Strafverfahren gegen Eggert und Andere wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit, in: Deuter, Hermann/Woock, Joachim (Hg.): Es war hier, nicht anderswo! Der Landkreis Verden im Nationalsozialismus, Bremen 2016, S. 424-429.

Autoren: Ann-Christin Weber, Studentin der Leibniz Universität Hannover, und Joachim Woock, Verden (Justizielle Ahndung)

1938 in Niedersachsen

Oldenburg

Vorgeschichte

Die erste Niederlassung von Juden wird in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erwähnt. Wie in den folgenden Jahrhunderten blieb es jedoch bei einer zeitweiligen Ansiedlung auf Grund rechtlicher Diskriminierungen. Im Jahr 1807 lebten 27 Juden in der Stadt, ihre Zahl stieg bis 1820 auf 80. Mit der Zugehörigkeit Oldenburgs zu Frankreich (1810-1813) wurden die Juden rechtlich gleichgestellt. Sie hielten ihren Gottesdienst in einem Privathaus ab und nutzten für Begräbnisse einen jüdischen Friedhof bei Varel. Ein Lehrer ist seit 1812 nachweisbar, ein Friedhof wurde 1814 eingerichtet. Der alte Rechtszustand wurde 1815 wiederhergestellt. Bis 1848 gab es Konflikte mit der christlichen Kaufmannschaft, die einen Zuzug von Juden ablehnte. Seit 1828 war ein Landrabbiner für das Herzogtum Oldenburg zuständig. Im Jahr 1829 entstand die erste Synagoge.

Das oldenburgische Staatsgrundgesetz von 1849 brachte die rechtliche Gleichstellung. Eine neue Synagoge konnte 1855 eingeweiht werden. Insgesamt war im 19. Jahrhundert eine wachsende gesellschaftliche Akzeptanz zu verzeichnen. Durch Migration stieg bis 1905 die Zahl der Juden auf 265 (0,9 % der Bevölkerung).

Schon seit den 1870er Jahren machte sich antisemitische Agitation bemerkbar, ohne vorerst größeren parteipolitischen Erfolg zu erringen. Ab 1920 verstärkte sich der Antisemitismus. Die NSDAP konnte ab 1928 erhebliche Wahlerfolge verbuchen, schon 1932 wurde im Freistaat Oldenburg eine NSDAP-Alleinregierung etabliert.

Im Jahr 1933 lebten 320 Juden in Oldenburg. Sie waren fortan von Ausgrenzungsmaßnahmen betroffen. Bis September 1933 wurde allen Viehhändlern die Gewerbeerlaubnis entzogen. Die jüdischen Schüler wurden von den Nichtjuden separiert und in der Bezirksvolksschule für das Oldenburger Land (neben der Synagoge) unterrichtet. Bereits 1936 wurde der Kaufmann Franz Reyersbach verhaftet, er starb im KZ Sachsenhausen.

 

Oldenburger Synagoge. Stadtmuseum Oldenburg, Sammlung Friedrichsen

Die Ereignisse im November 1938

Gauleiter Carl Röver erteilte von München aus dem Oldenburger Kreisleiter Wilhelm Engelbart telefonisch Anweisungen, die dieser sofort an alle Kreisleiter des Gaues Weser-Ems weitergab. Der Führer der SA-Gruppe Nordsee, Heinrich Böhmcker (Bremen), befahl gleichzeitig telegrafisch die Verwüstung der Geschäfte, die Juden gehörten. Für den Fall des Widerstands gab er einen Schießbefehl.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938, kurz nach Mitternacht, drangen etwa 20 – nach einer Zeugenaussage angetrunkene – SA-Leute in die Synagoge an der Peterstraße ein und zündeten das Gebäude wie auch das Schulgebäude an. Beteiligt war der Leiter der Ortsgruppe Oldenburg-Mitte, Fritz Richter. Gleichzeitig wurden die verbliebenen beiden Geschäfte jüdischer Inhaber in der Kurwickstraße demoliert und geplündert. Am 10. November folgte eine Brandstiftung in der Leichenhalle des jüdischen Friedhofs. Hier waren der Osternburger Ortsgruppenleiter Emil Hofmann und der SA-Oberführer Harald von Hedemann beteiligt.

Alle Juden wurden in der Nacht durch SA-Männer verhaftet, beschimpft, mit dem Tode bedroht und misshandelt. Hauptsammelstelle für die Inhaftierten war das frühere Gebäude der Ordnungspolizei am Pferdemarkt, wo sie über Nacht, teilweise in der Abortanlage, eingesperrt wurden. Frauen und Kinder entließ man am Morgen wieder. Danach trieb die SA 43 Verhaftete vom Pferdemarkt unter Beschimpfungen vorbei an der zerstörten Synagoge zum Gerichtsgefängnis. Elf Männer entließ man hier, da sie entweder kriegsbeschädigt oder zu alt waren. Der Rest wurde am 11. November in einem Bus zurück zum Pferdemarkt gebracht. Zwischenzeitlich waren hierhin die verhafteten Juden des Oldenburger Landes und Ostfrieslands transportiert worden. Alle, etwa 500 Männer, mussten von dort zum Hauptbahnhof marschieren, um mit der Eisenbahn ins KZ Sachsenhausen verbracht zu werden. Auf dem Weg zum Bahnhof wurden sie von spalierstehenden Jugendlichen wiederum beschimpft und mit Steinen beworfen.

Marsch der Oldenburger Juden zum Gerichtsgefängnis, 10. November 1938. Stadtmuseum Oldenburg, Sammlung Friedrichsen

Abriss der zerstörten Oldenburger Synagoge, 1938. Stadtmuseum Oldenburg, Sammlung Friedrichsen

Folgen

Bis Anfang 1939 wurden die im KZ Sachsenhausen inhaftierten Oldenburger Juden nach endlosen Schikanen und Quälereien mit der Auflage entlassen auszuwandern. Ivo Israels, einer der Inhaftierten, starb in der Emigration an den Spätfolgen. Die Trümmer der Synagoge wurden abgetragen, ein Teil von ihnen zur Wegepflasterung verwendet. das Grundstück zu Gunsten der Stadt Oldenburg enteignet.

Von 1938 bis 1940 wanderten über 150 Juden aus Oldenburg aus. Im Mai 1939 lebten noch 96 Juden in der Stadt, davon 20 zwangsweise im „Judenhaus“ Kurwickstr. 5. Nach mehreren Umzügen wurde im April 1940 die jüdische Schule aufgelöst. Der evangelische Pastor Walter Spitta, Pfarrer in der Gemeinde Jade (Wesermarsch) und Angehöriger der Bekennenden Kirche, war der einzige Helfer der verbliebenen Juden, indem er sie insbesondere mit Lebensmitteln versorgte. Im Rahmen der Vertreibung der Juden aus Oldenburg und Ostfriesland im Frühjahr 1940 mussten 75 Juden, d.h. alle, mit Ausnahme der in Mischehe Lebenden, die Stadt Oldenburg verlassen. Von den neuen Wohnorten, vorwiegend Bremen, Hamburg und Berlin, wurden sie schließlich deportiert. Gegen Kriegsende wurden die Juden, die in einer Mischehe lebten, 1944/45 nach Theresienstadt, die „Mischlinge 1. Grades“ im Herbst 1944 in das Arbeitslager Lenne (Weserbergland) abtransportiert.

Nach heutigem Wissensstand kamen 108 Oldenburger Juden in Konzentrations- und Vernichtungslagern um, darunter auch viele, sich vorerst durch Auswanderung hatten retten können.

 

Biografie - Leo Trepp

Leo Trepp wurde am 4. März 1913 in Mainz geboren. Nach Abitur, Studium und Promotion wurde er 1936 als Rabbiner ordiniert. Der oldenburgische jüdische Landesgemeinderat wählte ihn im November 1936 zum Landesrabbiner gewählt. Verheiratet war er seit April 1938 mit Miriam de Haas (1916-1999), die Tochter seines Vorgängers im Amt, der Tochter des damals bereits Landesrabbiners Philipp de Haas (1884-1935). Beim Novemberpogrom wurde Trepp verhaftet, er wurde mit den anderen jüdischen Männern Oldenburgs durch die Stadt getrieben und dann in das KZ Sachsenhausen abtransportiert. Auf Grund einer Intervention des britischen Oberrabbiners Joseph Hertz (1872-1946) wurde Trepp freigelassen und emigrierte im Dezember 1938 anfangs nach Großbritannien, dann in die USA. Hier war er in Kalifornien ebenfalls als Rabbiner tätig. Von 1951 bis 1983 lehrte er als Professor am Napa Valley College. Seit 1988 war er Honorarprofessor an der Universität Mainz. In Oldenburg wurde er von Stadt und Universität mehrfach geehrt. Trepp starb am 2. September 2010 in San Francisco.

Biografie - Adolf de Beer

Adolf de Beer wurde am 29. April 1877 in Emden geboren. Er betrieb in Ohmstede (heute Oldenburg) die Großdampfwäscherei „Reingold“. Auf der Landesausstellung 1905 wurde er für die Qualität seiner Arbeit mit einer Goldmedaille geehrt. Im Ersten Weltkrieg war er im Roten Kreuz tätig, 1916 dafür ausgezeichnet. In der Weimarer Republik war de Beer Vorsitzender des jüdischen Turnvereins „Schild“. Seinen Betrieb meldete er 1934 ab, um ihn auf den Namen seiner Frau Mathilde, geb. Scheinpflug (1876-1957), die nicht jüdischer Abstammung, sondern zum Judentum konvertiert war, wieder anzumelden. Aber im August 1936 erst durch Verpachtung, dann durch zwangsweisen Verkauf verfiel das Unternehmen der Arisierung. Als die jüdischen Gemeinden nicht mehr Körperschaften des öffentlichen Rechts sein durften, wurde er 1938 Vorsitzender der Jüdischen Kultusvereinigung – Synagogengemeinde Oldenburg. Nach dem Pogrom im November 1938 war er im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Von Oldenburg wurde er 1939 nach Hamburg abgeschoben. Von seinen vier Kindern emigrierten drei, eine Tochter kam 1944 im KZ Ravensbrück um. Ein Bruder starb 1943 in Theresienstadt. Er begründete 1945 die Jüdische Gemeinde für Stadt und Land Oldenburg. In den 1950er Jahren war er ebenfalls Gruppenführer in der DRK-Sanitätsbereitschaft Oldenburg. Er starb am 6. September 1955 in Oldenburg. „Aufopfernd hat er sich für die Belange der Gemeinde eingesetzt. Er war ein Vater für seine Mitglieder“, heißt es in der Todesanzeige der Israelitischen Kultusgemeinde Oldenburg.

Biografie - Ivo Israels

Ivo Israels wurde am 18. März 1881 in Weener geboren. Er war Viehhändler und Mitinhaber der Viehhandlung Louis Israels OHG in Oldenburg. Im November 1938 war er im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Nach seiner Freilassung emigrierte er in die USA, wo er am 20. Oktober 1940 an den Folgen der im Lager erlittenen Misshandlungen in New York starb. Seine Mutter Rosa Israels, geb. Salomons (geb. 1860), die 1940 für kurze Zeit in Oldenburg lebte, kam 1942 in Theresienstadt um.

Biografie - Walter Spitta

Walter Spitta wurde am 5. Oktober in Bremen geboren. Nach dem Theologie-Studium wurde er 1931 Pfarrer in Jade (Landkr. Wesermarsch). Bereits vor 1933 hielt er im Oldenburger Land Vorträge gegen den Rassenhass. Er gehörte der Bekennenden Kirche an, gegen ihn verhängte der oldenburgische Oberkirchenrat ein Predigtverbot. Mit Lebensmitteln, die er von Spendern sammelte, unterstützte Spitta nach dem Novemberpogrom Juden u.a. in Oldenburg. Er wurde 1942 als Sanitätssoldat zur Wehrmacht eingezogen und fiel am 26. Januar 1945 in Nakel (heute Nakło nad Notecią).

Biografie - Carl Röver

Carl Röver wurde am 12. Februar 1889 in Altenesch (heute Lemwerder) geboren.  Nach einer kaufmännischen Lehre in Bremen arbeitete er von 1911 bis 1913 auf einer Faktorei in der deutschen Kolonie Kamerun. Er kehrte nach einer Malaria-Erkrankung zurück. Mit Kriegsbeginn 1914 meldete sich Röver freiwillig, seit 1916 war in der Propagandaabteilung der Obersten Heeresleitung tätig. Nach Kriegsende kehrte er nach Oldenburg zurück und wurde bald in der völkischen Bewegung aktiv. Für den Völkisch-Sozialen Block wurde Röver 1924 in den Stadtrat gewählt. Er war Mitbegründer der Oldenburger NSDAP bei der Neugründung im Jahr 1925 und deren Ortsgruppenleiter, drei Jahre später wurde er Gauleiter des neugebildeten Gaues Weser-Ems. Ebenfalls 1928 wurde er in den Oldenburgischen Landtag, 1930 in den Reichstag gewählt. Nachdem die NSDAP bei den Landtagswahlen vom Mai 1932 die absolute Mehrheit der Sitze errungen hatte, konnte Röver Ministerpräsident des Freistaats Oldenburg werden. Im Mai 1933 wurde er zum Reichsstatthalter für Oldenburg und Bremen ernannt. Überregionale Bekanntheit erlangte er schon 1932 durch die „Kwami-Affäre“, als er das Auftreten des afrikanischen evangelischen Pastors Robert Kwami als „Tag tiefster Schmach“ bezeichnete. Im Jahr 1936 musste Röver nach massiven Protesten aus der katholischen Bevölkerung Südoldenburg einen Erlass des oldenburgischen Ministers für Kirchen und Schulen zurücknehmen, religiöse Symbole aus staatlichen Gebäuden zu entfernen, wodurch auch die Kreuze in den katholischen Schulen betroffen waren. Die kurz vor seinem Tod fertiggestellte sog. „Röver-Denkschrift“ entwarf Konzepte für die Optimierung und Neustrukturierung der nationalsozialistischen Diktatur. Röver starb nach schwerer Erkrankung am 15. Mai 1942 in Berlin.

Biografie - Wilhelm Engelbart

Wilhelm Engelbart wurde am 8. November 1903 in Ganderkesee geboren. Er war Volksschullehrer in Delmenhorst-Deichhorst, Nordenham-Atens und Abbehausen. Der NSDAP trat er 1930 bei, ein Jahr später SA und dem Nationalsozialistischen Lehrerbund bei. Von 1932 bis 1933 war er Führer des SA-Sturmbannes I/144 in Delmenhorst, danach bis 1935 der SA-Standarte 144 (Delmenhorst). Nachdem Engelbart 1935 Führer der SA-Standarte 19 (Varel) geworden war, wurde er 1938 NSDAP-Kreisleiter in der Stadt Oldenburg. Diese Funktion übte er bis 1945 aus. Im Jahr 1938 wurde er zum SA-Oberführer befördert. Von 1942 bis 1943 war Engelbart ebenfalls NSDAP-Kreisleiter für Oldenburg-Land. Er war Angeklagter im Oldenburger Synagogenbrand-Prozess. In der Nachkriegszeit war er als selbstständiger Kaufmann tätig. Engelbart starb 1999.

Biografie - Harald von Hedemann

Harald von Hedemann, Rittmeister a.D., wurde am 22. September 1887 in Köln geboren. Der NSDAP trat er 1930 bei. Von 1932 bis 1934 war er Führer der SA-Standarte 91 in Oldenburg, 1934-1935 Führer der SA-Reiterstandarte 63 (Oldenburg) und seit 1934 Führer der SA-Brigade 63 (Oldenburg). Im August 1938 wurde er zum Major der Schutzpolizei, im Oktober 1938 zum SA-Oberführer ernannt. Er starb am 12. Juni 1951 in Rastede.

Biografie - Fritz Richter

Fritz Richter war Betriebsleiter de GEG-Fleischwarenfabrik. Kurzzeitig war er 1935 stellvertretender NSDAP-Kreisleiter in der Stadt Oldenburg, von 1935 bis 1941 Ortsgruppenleiter in Oldenburg-Mitte. Er wurde von der Spruchkammer Stade wegen Organisationsverbrechen verurteilt. Richter war ebenfalls Angeklagter vor dem Schwurgericht Oldenburg im Oldenburger Synagogenbrand-Prozess.

Biografie - Emil Hoffmann

Emil Hofmann wurde 1887 geboren. Er war Kaufmann und als Angestellter der „Oldenburgischen Staatszeitung“ tätig. Seit 1936 fungierte er als NSDAP-Ortsgruppenleiter in Osternburg (Stadt Oldenburg). Im Jahr 1937 wurde Vereinsführer des Turn- und Sportvereins von 1876 (Oldenburg). Hofmann war Angeklagter im Oldenburger Synagogenbrand-Prozess. Er starb 1961.

Justizielle Ahndung

Im Juni / Juli 1949 waren der SA-Führer von Hedemann sowie die NSDAP-Ortsgruppenleiter Hofmann und Richter vor dem Schwurgericht Oldenburg wegen der Inbrandsetzung der Oldenburger Synagoge und der Leichenhalle auf dem jüdischen Friedhof angeklagt. Während Hofmann die Tatbeteiligung zugab, stritten Hedemann und Richter sie ab. Selbst angesichts der abgebrannten Synagoge behauptete Branddirektor Meyer, der als Zeuge auftrat, die Feuerwehr sei „ordnungsgemäß ausgerückt“ und habe „alle ihre obliegenden Pflichten erfüllt“. Richter erhielt 9 Monate Gefängnis, Hofmann ein Jahr und neun Monate Gefängnis und von Hedemann ein Jahr Gefängnis.

Im Juli 1950 wurden – ebenfalls vor dem Oldenburger Schwurgericht – fünf SA-Führer und der Ortsgruppenleiter Hofmann wegen der Inhaftierung der Oldenburger Juden als Rädelsführer angeklagt. Nachdem das Verfahren gegen Hofmann abgetrennt worden war, erhielten der SA-Brigadeführer Georg Gellert 2 Jahre Gefängnis und der SA-Sturmführer Heinrich Menke 1 Jahr Gefängnis wegen Verbrechen gegen die Menschlichkei9t in Zusammenhang mit Landfriedensbruch und Freiheitsberaubung. Der SA-Haupttruppführer Richard Höltsch und der SA-Truppführer Anton Habben gingen straffrei aus, da ihre zu erwartende Strafhöhe unter das Amnestiegesetz von 1949 fiel.

Der NSDAP-Kreisleiter Wilhelm Engelbart wurde im September 1950 in einem weiteren Prozess freigesprochen. Es hatte sich nach Ansicht des Schwurgerichts Oldenburg nicht mit „der erforderlichen letzten Sicherheit feststellen“ lassen, ob der Synagogenbrand auf seine Befehle zurückzuführen sei.  Im Oktober 1952 endete der Revisionsprozess vor der Großen Strafkammer Osnabrück mit einem erneuten Freispruch.

Spuren und Gedenken

Bereits im September 1945 ließ die britische Militärregierung den jüdischen Friedhof provisorisch wiederinstandsetzen. Die vollständige Wiederherstellung der Leichenhalle erfolgte erst 1975. Das Synagogengrundstücks wurde 1951 an die Jüdische Gemeinde zurückgegeben. Wegen zu geringer Mitgliederzahlen verkaufte sie es die Gemeinde. Die 1962 gegründete Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit setzte sich für einen Gedenkstein ein, der 1967 neben dem alten Synagogengrundstück errichtet wurde. Nach der erneuten Gründung der Jüdischen Gemeinde im Jahr 1992, die zwischenzeitlich 1971 aus Mitgliedermangel aufgelöst worden war, entstand 1995 eine neue Synagoge an der Wilhelmstraße, in der Nähe des alten Grundstücks. Ein Teilstück dieser Straße wurde 2013 in Leo-Trepp-Straße umbenannt. Vor der Synagoge wurde im August 2017 eine Leo-Trepp-Bronzebüste aufgestellt.

Im Jahr 1954 besuchte Leo Trepp wieder die Stadt Oldenburg. Er wurde 1990 zum Ehrenbürger ernannt. Ehrendoktorwürde der Universität Oldenburg erhielt er 1989. Im Jahr 1978 zeigte das Kulturdezernat der Stadt erstmals eine Fotodokumentation zur „Reichskristallnacht“. Die Stadt Oldenburg lud 1985 überlebende jüdische Oldenburger zu einem Besuch in der Stadt ein. Oldenburger Bürger initiierten 1981 den sog. „Judengang“, der als Schweigegang den Weg der gefangengenommenen Oldenburger Juden vom Pferdemarkt zum Gerichtsgefängnis nachvollzog. Dieser Erinnerungsgang, an dem 1988 auch Leo Trepp teilnahm, wird jährlich am 10. November wiederholt.

Weiterführende Literatur und Links

Werner Meiners, Oldenburg, in: Herbert Obenaus / David Bankier / Daniel Fraenkel (Hg.): Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Bd. II, Göttingen 2005, S. 1172-1196 (mit weiterführenden Literaturangaben).

Dieter Goertz, Juden in Oldenburg 1930-1938. Struktur, Integration und Verfolgung (Oldenburger Studien 28), Oldenburg 1988.

Erinnerungsbuch. Ein Verzeichnis der von der nationalsozialistischen Judenverfolgung betroffenen Einwohner der Stadt Oldenburg 1933-1945, Bremen 2001.

Quellen zur Geschichte und Kultur des Judentums im westlichen Niedersachsen vom 16. Jahrhundert bis 1945. Ein sachthematisches Inventar. Teil 2: Oldenburg (Veröffentlichungen der Niedersächsischen Archivverwaltung 55), Göttingen 2002.

Melanie Hellwig, Die Novemberpogrome in der Weser-Ems-Region. Verlauf, strafrechtliche Ahndung, Erinnerungskultur am Beispiel der Städte Oldenburg, Wilhelmshaven und Jever 1938-1988, Magisterarbeit, Oldenburg, Univ., 1999.

Markus Kenzler, Die Arisierung jüdischen Eigentums in Oldenburg. Der Fall Rosalie Israels, in: Oldenburger Jahrbuch 114 (2014), S. 133-145.

Hans-Peter Klausch, Jakob de Jonge. Aus deutschen Konzentrationslagern in den niederländischen Untergrund (DIZ-Schriften 12), Bremen 2002.

Autor: Dr. Joachim Tautz, Oldenburg

1938 in Niedersachsen

Osterholz-Scharmbeck

Vorgeschichte

Levi Hertz war 1731 der erste Jude, der sich im Flecken Scharmbeck niederließ. Er war in Bremen nicht aufgenommen worden, erhielt aber für Scharmbeck einen Schutzbrief. Erst damit war es Juden im Kurfürstentum Hannover erlaubt, sich niederzulassen, zu heiraten und einem Gewerbe nachzugehen. Hertz betrieb einen Pferdehandel und wahrscheinlich geht der noch immer jährlich stattfindende Viehmarkt im Herbst auf seine Initiative zurück. 1756/57 erwarb er ein Grundstück für einen Friedhof, der 1847 vergrößert wurde. Schon 1762 ist ein deutlicher Zuwachs der jüdischen Bevölkerung in beiden Flecken zu erkennen – mit drei jüdischen Familien in Scharmbeck und vier in Osterholz. 1804 wurde das erste Synagogen- und Schulgebäude vor Ort errichtet, das 1863 durch einen Brand zerstört wurde. Die Gemeinde war erst 1866 wieder in der Lage, die Einweihung eines neuen Synagogen- und Schulbaus zu feiern. Noch im selben Jahr wuchs die Gemeinde erneut deutlich an, als sich Juden aus Lesum-Burgdamm und Ritterhude anschlossen.

Doch trotz steigender Mitgliederzahlen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts litt die Gemeinde unter großen finanziellen Problemen, die sich bis zu ihrem Ende unter der nationalsozialistischen Herrschaft weiter verschärften. Die Gemeinde musste mit Staatssteuern, allgemeinen Schullasten, Gemeindeabgaben und Kosten für den Neubau eine hohe Abgabelast stemmen. 1898 bis 1900 musste sie sogar durch jährliche Zuschüsse aus einem Provinzialfonds unterstützt werden. Die finanziellen Schwierigkeiten wurden durch den Umstand erschwert, dass wegen der zunehmenden Abwanderung aus den Orten Osterholz und Scharmbeck dort immer weniger wirtschaftlich starke Juden lebten. Bis zum 19. Jahrhundert florierte das Tuchmacher-, Zigarren- und Viehgewerbe, doch dann sank die wirtschaftliche Kraft in Osterholz und Scharmbeck und viele Juden entschieden sich, die Orte zu verlassen. Trotz rückläufiger Schülerzahlen und einer Diskussion über Kommunalisierung (Auflösung) der Schule, entschied sich die Gemeinde einstimmig, das Synagogen- und Schulgebäude wie gewohnt weiter zu benutzen, obwohl bereits um die Jahrhundertwende nur noch acht Kinder die Schule besuchten.

Bereits vor den Pogromen 1938 waren jüdische Mitbürger in Osterholz Repressalien durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Als am 1. April 1933 zum deutschlandweiten Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen wurde, wurden auch bei jüdischen Fachgeschäften in Osterholz die Schaufenster beschmiert oder gar eingeschlagen. Das sollte der Abschreckung ihrer Kunden dienen, was diese Maßnahmen auch bewirkten. Dies führte bei viele jüdischen Geschäftsinhabern im Laufe der Jahre dazu, dass sie ihre Betriebe aufgeben und/oder in „nichtjüdischen Besitz“ (Arisierung) überführen mussten.

Als im Herbst 1934 über Flugblätter der Lokalzeitung erneut zu einem Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen und diese an Schaufenster geklebt wurden, entschied sich der Sohn des Inhabers der Manufakturwarenhandlung I. D. Davidsohn am 27. November 1934 dazu, die Flugblätter überall aus der Stadt zu entfernen. Der 30-jährige ehemalige Referendar John Davidson (*1904) wurde daraufhin von 40 bis 50 Männern zusammengeschlagen, anschließend in „Schutzhaft“ genommen und nach Berlin gebracht. Nur unter vereinten Kräften des Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens e. V. (CV; ab dem 16. November 1935 Centralverein der Juden in Deutschland) und eines Bremer Anwalts, der von seinem Vater eingesetzt wurde, wurde es John Davidsohn erlaubt, am 15. Dezember 1934 wieder zu seiner Familie nach Osterholz-Scharmbeck zurückzukehren. Um dem nationalsozialistischen Terror zu entkommen, bemühte er sich um die Ausreise. Am 11. August 1939 gelang ihm die Emigration nach England und nach dem Zweiten Weltkrieg zog er in die USA, wo er 1985 verstarb. Das Kaufhaus der Familie wurde kurz vor den Pogromen am 4. November 1938 „arisiert“.

Geschäftshaus der Firma Davidsohn in der Poststraße, 1911. Kreisarchiv Osterholz

Im September 1938 gab der Lehrmeister und Vorbeter der jüdischen Gemeinde Löwenstein an, dass die Gemeinde wegen des Ausfalls steuerkräftiger Mitglieder und neuer Belastungen nicht in der Lage sei, die Synagoge zu halten. Zu diesem Zeitpunkt zählte die Gemeinde noch 31 Mitglieder. Löwenstein riet zum Verkauf und verlor damit auch seine Wohnung. Anschließend entschloss er sich zu Verwandten nach Paderborn zu ziehen. Auch der Gemeindevorsteher ter Berg berichtete Anfang November 1938 Ähnliches und fügte hinzu, dass die Räume der Synagoge bereits vermietet und die Akten an das Gesamtarchiv der Juden in Deutschland nach Berlin geschickt worden seien.

Schreiben des Gemeindevorstehers ter Berg über den Zustand der jüdischen Gemeinde, 2. November 1938.
Kreisarchiv Osterholz

Heutige Ansicht des jüdischen Friedhofes von Osterholz (Auf dem Kamp/Klosterkamp), Juni 2018. Foto: Janine Bergemann

Die Ereignisse im November 1938

Wie in vielen anderen Städten in Niedersachen wurde in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 die örtliche Synagoge aufgebrochen, das Gestühl herausgerissen und zu Feuerholz zerschlagen. Es wurde ebenfalls eine hebräische Inschrift über der Tür zerstört. Zwar wurde die Synagoge auch in Brand gesteckt, aber noch rechtzeitig gelöscht und die Gebäudestruktur blieb intakt, sodass die Stadt die ehemalige Synagoge ab Oktober 1939 als Luftschutzschule nutzen konnte. SA-Männer schändeten zudem den jüdischen Friedhof, indem sie Grabsteine umwarfen.

Auch die Häuser und Wohnungen jüdischer Gemeindemitglieder wurden verwüstet und sie selbst angegriffen. Siegmund Cohen wurde von SA-Leuten derart schwer verletzt, sodass er bettlägerig wurde und ein Jahr später an den Folgen der Verletzungen verstarb. Das Ehepaar Goldberg wurde in der Nacht von SA-Leuten in ihrer Wohnung überrascht und erschossen. Leopold Sinasohn aus Platjenwerbe überlebte ebenfalls nicht diese Nacht. Sinasohn arbeitete als Obermonteur bei den Siemens-Schuckert-Werken, wo er am 17. Februar 1933 „wegen Arbeitsmangels“ entlassen wurde. Kurz darauf verstarb auch seine Frau und die finanziellen Engpässe belasteten ihn und seine drei Söhne schwer. Am 9. November 1938 stürmten SA-Männer das Familienhaus und erschossen Sinasohn. Eine jüdische Familie aus Ritterhude wurde am frühen Morgen des 10. Novembers mit einem LKW in die Nähe des Flusses Hamme verschleppt, mit Warnschüssen terrorisiert und dann wieder in den Ort zurückgetrieben. Im Nachhinein wurde seitens der Bevölkerung rund um Osterholz-Scharmbeck Betroffenheit über die Übergriffe und Morde ausgedrückt – insbesondere der Arzt Dr. Adolph Goldberg war beliebt, da er auch finanziell schwache Patienten behandelte – aber es kam nicht zu öffentlichen Protestbekundungen.

Am 10. November wurden viele Osterholzer Jüdinnen und Juden in „Schutzhaft“ genommen und in den Amtsgerichten Lesum und Blumenthal festgehalten. Die Akten der Amtsgerichte enthalten detaillierte Angaben über die Vermögenswerte der Inhaftierten und die Höhe der Schäden durch den Pogrom. Während die Frauen schnell wieder freigelassen wurden, wurden die Männer anschließend in Konzentrationslager verschleppt.

Akte

Einlieferungsprotokolle über die verhafteten Juden in Osterholz (mit detaillierten Vermögensangaben und Höhe der Schäden durch den Pogrom), 10. November 1938. Kreisarchiv Osterholz

Am 11. November berichtete die Lokalzeitung, dass die „Volksgenossen“ angesichts der „feige[n] jüdische[n] Mordtat“ am Diplomaten vom Rath voller „Empörung“ gewesen seien und sich ihrer Luft gemacht hätten, indem sie jüdische Geschäfte und private Wohnungen und Häuser verwüsteten. Auch der Einbruch in die Synagoge wurde genannt, wobei besonders auf den Zustand („ziemlich geringe Sauberkeit“) der Räumlichkeiten und den Bänken als „willkommenes Feuerholz“ hingewiesen wurde“. Abschließend merkte der Autor an, dass „[n]iemandem […] ein Haar gekrümmt [worden sei], soweit es nicht schon vorher krumm war“.

Gebäude

Umbau der Synagoge in Osterholz-Scharmbeck, Bahnhofstr. 105, 1939. Kreisarchiv Osterholz

Folgen

In der Folgezeit wurde die Freiheit der noch im Landkreis Osterholz verbliebenen Juden immer weiter eingeschränkt: Es wurden Ausgehverbote verhängt sowie Einkaufs- und Verkehrsbeschränkungen (Entzug des Führerscheins) auferlegt und Bücher beschlagnahmt. Des Weiteren wurden sie dazu gezwungen, selbst für die Schäden der Pogromnacht aufzukommen und ihre Geschäfte zu schließen oder zu „arisieren“, sofern sie noch in jüdischem Besitz waren. Außerdem wurden die Juden in die sogenannte „Volkskartei“ aufgenommen.

Einige Jüdinnen und Juden entschieden sich daraufhin, zu emigrieren oder zogen weg. Andere wurden zur Umsiedlung nach Bremen gezwungen und mussten dort in ärmlichen Verhältnissen in „Judenhäusern“ leben. Die wenigen, die noch im Landkreis lebten, wurden wahrscheinlich mit den Bremer Juden am 18. November 1941 in das Ghetto nach Minsk oder im Januar 1943 in das Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo sie starben. Nur Wilhelm Aron überlebte die Schrecken des Ghettos Theresienstadt und kehrte nach Kriegsende in die Kreisstadt Osterholz-Scharmbeck zurück.

Schreiben über das Aufkommen der Schäden der Pogrome durch die Juden selbst, 12. November 1938. Kreisarchiv Osterholz

Biografien - Cläre und Ruth Rosenhoff

Cläre (*1927) und Ruth (*1924) waren die jüngsten Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung in der Region Osterholz-Scharmbeck. Wie viele andere Kinder in Osterholz besuchten sie die örtliche Grundschule und waren Mitglieder im Sportverein „Gut Heil“, aus dem sie 1934 ausgeschlossen wurden. Außerdem wurde ihre Familie dazu gezwungen, ihr Wohnhaus zu einem „Judenhaus“ umzufunktionieren, wo ab 1938 auch die Familie Aron lebte und sie in der Pogromnacht miterleben mussten, wie ihr Vater schwer misshandelt wurde. Von ihren Eltern getrennt, mussten die beiden Schwestern bald darauf eine jüdische Schule in Hamburg besuchen. 1941 durften sie zurückkehren, bis sie am 17. November 1941 mit ihren Eltern, nach Bremen gebracht wurden, von wo aus sie mit den Bremer Juden nach Minsk deportiert wurden. Vermutlich wurden die Schwestern am 28. Juli 1942 ermordet.

Vermerk über Zwangsumsiedlung von Ruth und Cläre Rosenhoff, 17. November 1938. Kreisarchiv Osterholz

Schwestern

Ruth und Cläre, vergrößerte Aufnahme von einem Gruppenfoto der Turngruppe des Vereins „Gut Heil“, vermutlich 1933/1934. Kreisarchiv Osterholz

Biografie - Wilhelm Aron

Wilhelm Aron (1895-1973) arbeitete als Tischler. Er war ein angesehener Bürger der Stadt Osterholz-Scharmbeck und Vater zweier Kinder (Wilhelm jr. und Anette). Seine Frau war keine Jüdin und die Kinder wurden christlich erzogen. Das schützte sie jedoch nicht vor den Repressalien der Nationalsozialisten. 1938 musste die Familie und Wilhelm Arons älterer Bruder in das „Judenhaus“ zur Familie Meyer-Rosenhoff ziehen, wo sie auch die Pogromnacht erlebten.

Im Gegensatz zu vielen anderen Osterholzer Juden kam die Familie Aron in der Pogromnacht verhältnismäßig „glimpflich“ davon. Als SA-Männer in das „Judenhaus“ einbrachen, die Familie Meyer-Rosenhoff terrorisierten und Hugo Meyer-Rosenhoff schwer misshandelten, verschonten sie die obere Wohnung, in der sich die Familie Aron befand. Wilhelm Aron wurde aber wie viele andere Osterholzer Juden am nächsten Tag verhaftet. Er verbrachte dann einige Wochen in Haft. Anschließend blieb er, durch seine christliche Ehefrau geschützt, auf freiem Fuß. Das änderte sich im Herbst 1944, als ihn die Gestapo mit seinem Sohn zur Zwangsarbeit am Bau des U-Boot-Bunkers „Valentin“ nach Farge brachte. Das Kriegsende erlebte er im KZ Theresienstadt, wohin er Ende 1944 deportiert wurde.

Wilhelm Aron überlebte als einziger Jude aus Osterholz die Schrecken der Deportation und kehrte nach seiner Befreiung nach Osterholz-Scharmbeck zurück. Angesichts der Ereignisse, die ihm und seiner Familie unter der nationalsozialistischen Herrschaft widerfuhren, ist es umso erstaunlicher, dass sich Wilhelm Aron bereits kurz nach Kriegsende öffentlich für die Kommune engagierte. Er trat der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) bei und richtete in der ehemaligen Synagoge ein Gewerkschaftsbüro ein. Für die SPD saß er anschließend fast zwanzig Jahre im Stadtrat. Des Weiteren war er ehrenamtlich aktiv bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) und sorgte dafür, dass bereits kurz nach Kriegsende der Verein für Sport und Körperpflege Osterholz-Scharmbeck (VSK) neugegründet werden konnte – vermutlich der Grund, weshalb 1972 eine Sporthalle nach ihm benannt werden sollte.

Laut Jürgen Meyer-Korte, der als damaliger Chefredakteur des Osterholzer Kreisblattes einen Artikel zu Ehren Wilhelm Arons nach dessen Tod 1976 veröffentlichte, zeichnete sich Aron in seinem Engagement dafür aus, dass er stets gewissenhaft handelte, keine Zusammenarbeit in  Projekten für die Stadt mied und sich auch nicht davor scheute, seine Meinung öffentlich kundzutun, was schließlich dazu führte, dass er sich nach internen Streitereien und 53-jähriger Mitgliedschaft aus der SPD austrat und sich damit aus der Lokalpolitik zurückzog. Es sei außerdem bemerkenswert, dass er keinen Groll gegen seine Mitbürger (und damit u.a. auch gegen ehemalige Verfolger) hegte und im Gegenzug die Zusammenarbeit mit anderen sogar suchte, um die Stadt voranzubringen.

Mann

Foto aus dem Zeitungsartikel „Wer war Wilhelm Aron?“ im Osterholzer Kreisblatt vom 16. September 1976. Kreisarchiv Osterholz

Mutter Vater Kinder

Die Familie Aron: Vater Wilhelm, Mutter Anna und die Kinder Wilhelm jr. und Anette, ca. 1930. Kreisarchiv Osterholz

Justizielle Ahndung

Für die Ereignisse vom 9. bis 11. November 1938 waren zum einen nicht nur lokale SA- und NSDAP-Anhänger verantwortlich, sondern auch Einheiten aus Bremen und Umgebung. Für die direkte Ausführung der Befehle in Osterholz-Scharmbeck und Lilienthal war der Sturmbann III/411 unter dem Bremer Ernst Röschmann zuständig und verantwortlich, für die Orte Lesum und Ritterhude der Sturm 24/411 unter Fritz Köster. Köster war ein ehemaliger kaufmännischer Angestellter und seit 1934 als Bürgermeister von Lesum tätig. Er wird als Hintermann angesehen, weil er auch den Reservesturm 29/411 sowie den Nachrichtentrupp befehligte, durch die drei Osterholzer Juden zu Tode kamen. Unmittelbar nach den Geschehnissen untersuchte das Reichsjustizministerium nicht aufgrund der Straftaten, sondern wegen Missachtung von Befehlen. Diese Verfahren wurden jedoch schnell eingestellt.

Nach Kriegsende wurden viele Nationalsozialisten in den Arresträumen des Rathauses von Osterholz-Scharmbeck und in der damaligen Lettow-Vorbeck-Schule interniert und im Sommer 1946 mussten sie den geschändeten jüdischen Friedhof wieder herrichten. In den Polizeiakten des Regierungspräsidiums Stade findet sich ein Untersuchungsvorgang gegen den Gendarmen Wolters aus Platjenwerbe, in dem u. a. auch die Mittäterschaft des Stellmachers Öhlschläger an der Ermordung des Ehepaars Goldberg und Leopold Sinasohn zur Sprache kommt.

1948 gab es einen Prozess vor dem Bremer Schwurgericht, in dem zahlreiche Täter (Köster, Frühling, Harder, Mahlstaedt und Seggermann) verurteilt wurden. Köster wurde zunächst zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt, die später in 15 Jahre Zuchthaus umgewandelt wurde. Für den Mord an dem Ehepaar Goldberg erhielt August Frühling zehn Jahre Zuchthaus, wovon er aber nur einen geringen Teil verbüßen musste. Frühling hatte vor seiner Karriere bei der NSDAP u. a. als Seefahrer, Maschineningenieur und Betriebsleiter bei verschiedenen Unternehmen gearbeitet. 1933 war er der SA beigetreten und hatte 1938 den Rang eines Scharführers gehabt. Nach seiner Begnadigung arbeitete er 1952 wieder als Schiffsingenieur. Für den Mord an Leopold Sinasohn erhielten Harder und Mahlstaedt acht und achteinhalb Jahre Zuchthaus. Auch Harder wurde begnadigt und konnte das Zuchthaus in Bremen-Oslebshausen frühzeitig verlassen.

Viele andere ehemalige Nationalsozialisten kamen ungestraft davon, weil sie sich im Zuge der Entnazifizierung gegenseitig schützten, indem sie sich anhand der sogenannten „Persilscheine“ gegenseitig bestätigten, dass sie nur „Mitläufer“ oder sogar „nicht belastet“ seien. So konnten die Täter der Pogromnacht und der Judenverfolgung in Osterholz-Scharmbeck und Umgebung größtenteils ungestraft davonkommen.

Wilhelm Aron jr., der mit seinem Vater in Farge zur Zwangsarbeit gezwungen und von den Nationalsozialisten als „Mischling“ oder „Halbjude“ bezeichnet worden war, kehrte am 6. Mai 1945 nach Osterholz-Scharmbeck zurück und musste dort von der Besatzungsmacht einen Tag lang ein Verhör durchstehen und seine Handlungen rechtfertigen. Später musste er sich sogar einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen.

Spuren und Gedenken

Das offizielle Gedenken an die jüdischen Opfer aus Osterholz begann am 9. November 1978 mit der Anbringung einer ersten Erinnerungstafel an der ehemalige Synagoge. Diese Initiative ging von Schülern und Schülerinnen des Gymnasiums aus, die am Gedenktag auch einen Kranz vor dem Gebäude niederlegten. 1985 wurde vor dem ehemaligen Haus des Ehepaars Goldberg in Burgdamm ein Gedenkstein aufgestellt.

1988, zum 50. Jahrestag des Pogroms, wurde die Gedenktafel an der Synagoge erneuert und es fanden mehrere Gedenkveranstaltungen wie der „Weg des Gedenkens“ in Ritterhude (vorbei an den ehemaligen Häusern der jüdischen Familien im Ort) sowie Gesprächsabende und Gottesdienste statt. Am Rathaus in Ritterhude wurde ebenfalls ein Gedenkstein enthüllt.

Bereits 1988 wurde der Zustand der ehemaligen Synagoge kritisiert und über eine Sanierung des Gebäudes gesprochen. Doch 2004 wurde das Gebäude abgerissen. Seit 2006 befindet sich auf dem ehemaligen Platz der Synagoge ein Mahnmal mit den Namen der unter der nationalsozialistischen Herrschaft verfolgten und getöteten Juden aus Osterholz. Bei dem Mahnmal handelt es sich um eine Granitplatte, 19 Stelen, einem Untergrund aus Pflastersteinen und einer Gedenktafel am Nachbarhaus. Die Pflastersteine kommen von der ehemaligen Ladestraße am Bahnhof, über die viele Osterholzer Juden die Stadt verlassen mussten und nie wieder zurückkehrten. Nach den Schwestern Rosenhoff wurde eine Straße in der Nähe des Mahnmals benannt.

Zu Jahrestagen der Pogromnacht erschienen immer wieder Zeitungsartikel über die Judenverfolgung in den Lokalzeitungen und mehrere Schulen erarbeiteten auch immer wieder Ausstellungen und Projekte zur Erinnerung an die Schicksale der ehemaligen jüdischen Mitbürger. Heutzutage findet jedes Jahr am 9. November eine Gedenkveranstaltung am Mahnmal statt.

9. November

Gedenkveranstaltung am 9. November 2013. Foto: Sonja K. Sancken, Stadt Osterholz-Scharmbeck

Erinnerungskultur

Aufnahme der Granitplatte des Mahnmals mit den Namen der jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, 9. November 2013. Foto: Sonja K. Sancken, Stadt Osterholz-Scharmbeck

Weiterführende Literatur und Links

Beer, Klaus, Ein Denkmal für Familie Cohen, die in Osterholz-Scharmbeck in Niedersachsen gelebt hat, Osterholz-Scharmbeck 2001.

Davidson, Bob, Stories of My Ancestors. The Davidsohn/Joseph and Meyer/Speyer Families. Volume 1 – Davidsohn Family, Deutschland 2013.

Lürs, Wilhelm, „Reichskristallnacht“ in Bremen. Vorgeschichte, Hergang und gerichtliche Bewältigung des Pogroms vom 9./10. November 1938, 2. Aufl., Bremen 1988.

Obenaus, Herbert u.a. (Hg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Göttingen 2005 (Band II), S. 1351-1357.

Schröder, Ilse, Sancken, Sonja K.  & Böttjer, Horst, Jüdische Bürgerinnen und Bürger in Osterholz-Scharmbeck. Schicksale in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945. Eine Dokumentation – 70 Jahre nach Ende des II. Weltkrieges, Osterholz-Scharmbeck 2015.

Teufelsmoor.eu: Mahnmal Bahnhofstraße

Teufelsmoor.eu: Juden in OHZ

Autorin: Janine Bergemann, Studentin der Leibniz Universität Hannover